Werben um die Russlanddeutschen

Warum sich die Rechtsaußenpartei unter Spätaussiedlern einer wachsenden Beliebtheit erfreut

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Russlanddeutsche dürften aufgehorcht haben, als FDP-Chef Christian Lindner sich dieser Tage zur Krim-Frage äußerte. Etliche von ihnen müssten die Forderung des Freidemokraten mit Wohlwollen bedacht haben, die Beziehungen der Bundesrepublik zu Russland wieder zu verbessern. Doch die Sympathien unter den Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion schlagen immer heftiger für eine andere Partei: die AfD. Und die Rechtsaußentruppe hat das Potenzial schon länger erkannt. Vergangenes Jahr erklärte Berlins AfD-Landesvorsitzender Georg Pazderski: »Die Russlanddeutschen haben im Moment keine politische Heimat«. Und Parteichef Jörg Meuthen pflichtete bei: »Ich glaube schon, dass sie zu uns passen, weil sie mehrheitlich konservativ denken.« Seitdem umwirbt die Rechtsaußenpartei die größte wahlberechtigte Einwanderergruppe auf unterschiedlichste Weise. Nach Angaben des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung machen die sogenannten Russlanddeutschen und ihre in Deutschland geborenen Kinder etwa drei Prozent der deutsche Wählerschaft aus.

Und ihre Präferenzen bei der Parteienwahl verschieben sich seit einigen Jahren spürbar. Während Anfang der 2000er noch etwa 60 Prozent ihre Kreuze bei der CDU setzten, waren es bei der letzten Wahl nur noch 40 Prozent. Lange Zeit profitierte die Union auch von einem Helmut-Kohl-Effekt: Weil er als Bundeskanzler in den 90er-Jahren ihre Einreise erleichterte, dankten es viele Russlanddeutsche der Union durch ihre Stimmen. Doch in Zeiten des Ukraine-Konfliktes, der Krim-Annexion und sich eines insgesamt verschlechternden Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und Russland stoßen die russlandkritischen Äußerungen aus den Reihen der CDU in dieser Wählergruppe auf Ablehnung.

Einen Aufschwung erlebt dagegen derzeit die AfD: Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Berlin und zuletzt auch in Nordrhein-Westfalen schnitt die Rechtsaußenpartei besonders stark in Wahlkreisen ab, wo besonders viele Ex-Sowjetbürger leben, teilweise mit Ergebnissen von 40 Prozent. Zufall ist diese Wählerwanderung nicht: Als einzige größere Partei übersetzen die Rechten viele Programme ins Russische, im Jahr 2016 gründete sich das »Netzwerk Aussiedler und Russlanddeutsche in der AfD«.

Auch im Bundestagswahlkampf wirbt die Partei wieder eifrig um diese Zielgruppe. Einer der Bausteine hierfür ist der für Sonnabend geplante Russlandkongress der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.

Die Veranstaltung in Magdeburg adressiert zwei Zielgruppen: Neben Russlanddeutschen sollen auch Unternehmer aus der Region angesprochen werden. Beim Kampf gegen die seit 2014 von der EU verhängten Russlandsanktionen ergibt sich eine unfreiwillige Allianz: Neben der AfD fordern auch die Industrie- und Handelskammern in Magdeburg sowie Halle-Dessau die Aufhebung. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) plädiert aus Angst vor Arbeitsplatzverlusten für ein Ende der Beschränkungen, weiß aber seine Koalitionspartner SPD und Grüne gegen sich. Die AfD-Fraktion schreibt in ihrer Einladung, die Rechtsaußenpartei bekenne sich »zweifelsfrei zu einem Ausgleich in den Beziehungen zu Ost und West«. Was wie ein Aufruf zur Entspannungspolitik klingt, bekommt durch den Blick auf die Referentenliste eine völkisch-nationalistische Färbung. Neben Parteivertretern soll auch »Compact«-Chefredakteur Jürgen Elsässer sprechen.

In eine ähnliche Richtung zielt die Einladung von Manuel Ochsenreiter, den die AfD als Direktor des »Deutschen Zentrums für Eurasische Studien« ankündigt. Hinter der bedeutungsschwer klingenden Institution verbirgt sich eine neurechte Denkfabrik. Ochsenreiter selbst gilt als zentrale Figur im prorussischen Geflecht der Neuen Rechten und pflegt Kontakte zum antiliberalen Philosophen Alexander Dugin.

Einer der wichtigsten Anknüpfungspunkte für die AfD an die Russlanddeutschen sind Vorurteile gegenüber Muslimen. Eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge fand 2013 heraus, dass Ressentiments gegen diese Bevölkerungsgruppe unter Russlanddeutschen stark verbreitet sei. Für die AfD bedeutet dies einen idealen Nährboden, kann sie doch mit ihrer Anti-Asyl-Politik, die sich eben vorrangig gegen Geflüchtete aus muslimisch geprägten Ländern richtet, bei ihren potenziellen Wähler punkten.

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