Vom Kreißsaal ins Sozialamt

Florian Haenes über heldenhafte Eltern im Land der Niedriglöhne

  • Florian Haenes
  • Lesedauer: 1 Min.

Tausende Beschäftige können ihre Familie nicht ernähren, obwohl sie in Vollzeit arbeiten. Dabei hatte das Versprechen Mindestlohn gelautet: Wer arbeitet, muss davon auch leben können. Für Familien mit Kindern klingt das wie Hohn. Es ist grotesk: Setzen Erwerbstätige des Niedriglohnsektors Kinder in die Welt, ist der Preis dafür Entsagung, Sorge und Mühsal. Das sollte so nicht sein. Der Mindestlohn muss um dieser Eltern Willen erhöht werden.

Der garantierte Stundenlohn von 8,50 Euro zeugt deshalb nicht von großartiger Politik, für die sich Sozialdemokraten in diesen Tagen feiern, sondern ausschließlich von den skandalösen Zuständen auf dem Arbeitsmarkt, die vor Einführung des Mindestlohns geherrscht hatten. Für Familien mit Kindern ist noch immer nichts gut.

Dem Sozialstaat müsste man dankbar sein, dass er Eltern unterstützt, wenn ihr Einkommen nicht reicht. Doch es bleibt zynisch, dass sich Tausende Eltern nach Verlassen des Kreißsaales bald im Wartezimmer des Sozialamts wiederfinden. Das Großziehen von Kindern ist eine menschliche Urerfahrung. Im Niedriglohnland Deutschland ist aus ihr ein staatlich gefördertes Verwaltungsprojekt geworden. Nach Feierabend sollten Eltern Kinderbücher lesen. Nicht Formulare der Arbeitsagentur.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.