Falscher Fokus
Guido Speckmann über die Libyen-Politik von Angela Merkel
Menschenrechts- und Asylorganisationen sind sich mit ihrer Einschätzung des EU-Türkei-Pakts weitgehend einig: Das Abkommen hebelt den Flüchtlingsschutz aus, Geflüchtete werden schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Doch der Pakt funktioniert im Sinne der in Berlin und Brüssel Regierenden: Die Türkei macht die Drecksarbeit, indem sie die Migranten von der EU-Grenze fernhält. Warum das Abkommen also nicht auch auf Libyen übertragen? Genau darauf drängte Merkel bei ihrem Treffen mit Vertretern von UNHCR und IOM am Freitag. Eine stärkere Zusammenarbeit mit Libyen sei das Ziel. Diese solle sich so entwickeln wie die mit der Türkei. Frei übersetzt: eine geografische Ausdehnung der Abschaffung des individuellen Asylverfahrens, Rückschiebungen nach Libyen - in ein Land, das ein Oxfam-Bericht diese Woche noch als eine »Hölle auf Erden« bezeichnete.
50 Millionen Euro hat Merkel den Organisationen für ihre Arbeit in Libyen in Aussicht gestellt. Besser als nichts. Aber ein besserer Flecken Erde mit »menschenwürdigen Zuständen« in Aufnahmeeinrichtungen ist damit nicht zu schaffen. Schon deshalb - und das weiß Merkel immerhin -, weil Libyen nicht wie die Türkei ist. Das Land ist seit dem Sturz Gaddafis ein zerrissenes Bürgerkriegsland, woran die westliche Militärintervention 2011 Mitschuld hat.
Der Fokus von Merkel ist somit falsch, weil er weiter auf Flüchtlingsabwehr setzt, anstatt auf Fluchtursachenbekämpfung. Menschen aus afrikanischen Staaten werden sich weiter auf die gefährliche Reise begeben.
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