Schlechte Studien sind Trumpf

Wie Sebastian Kurz mit fragwürdigen Umfragen Stimmung gegen Muslime macht

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit scharfen Tönen gegen in Österreich lebende Muslime hat es Sebastian Kurz wieder an die Spitze der Wahlkampfberichterstattung geschafft, nachdem der Außen- und Integrationsminister auf seiner Facebook-Seite eine »massive Reduzierung der Migration« gefordert hatte.

Als Anlass für die Forderungen nannte Kurz eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage. In dieser waren Muslime in Österreich nach ihrer Einstellung zu Gesellschaft, Politik, Familie und Antisemitismus gefragt worden. Teils mit bemerkenswerten Ergebnissen: So forderten über 80 Prozent der befragten somalischen und afghanischen Flüchtlinge, Witze über den Islam zu verbieten. Und über ein Drittel der befragten Österreicher mit türkischen oder bosnischen Migrationshintergrund vertraten die Ansicht, Juden hätten auf der Welt zu viel Macht.

Doch die Studie, über die am Wochenende auch viele österreichische Medien berichteten, hat zwei Haken: Zum einen lassen sich ihre Ergebnisse auch als Erfolg der österreichischen Integrationspolitik lesen. Schließen schnitten bei fast allen Fragen Muslime, die schon lange in Österreich leben, deutlich besser ab als jene, die im Rahmen der aktuellen Flüchtlingskrise zugewandert waren. Wichtiger noch: Bei der Umfrage im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds handelte es sich um gar keine repräsentative Studie. Denn anders als sozialwissenschaftlich üblich, konnten die Teilnehmer hier selbst darüber bestimmen, welcher ihrer Freunde als nächstes den Fragebogen ausfüllen sollte. Selbst der Studienmacher, der Politologe Peter Filzmaier, hatte deshalb vorsorglich davor gewarnt, die Ergebnisse zu verallgemeinern.

Ohne Erfolg. »Schockierend: Mehr als ein Drittel der Flüchtlinge sowie ein knappes Drittel der Türken befürworten die gewaltsame Verteidigung der Familienehre«, meldete beispielsweise das österreichische Klatschportal »Österreich 24«. Die »Kronen-Zeitung« titelte: »Hälfte der Flüchtlinge verweigert Handschlag«. Und auch Kurz legte am Samstag noch einmal nach und forderte mit Blick auf die Studie »insbesondere bildungsfernen Menschen aus anderen Kulturkreisen« die Einreise zu verweigern. Außerdem sprach er sich erneut gegen »Parallelstrukturen wie die Islam-Kindergärten« aus.

Damit verwies der Integrationsminister auf ein Thema, bei dem er sich erst vor wenigen Wochen ebenfalls den Vorwurf eingehandelt hatte, mit fragwürdigen Studien Stimmung gegen Muslime zu machen. Monatelang hatte Kurz gefordert, islamischen Kindergärten in Österreich zu schließen und deren Betreibern die Förderung sprachlicher Parallelwelt, Integrationsschädlichkeit und die Nähe zu Salafisten unterstellt. Doch wie das Wiener Stadtmagazin »Falter« im Juli herausfand, war die Studie, die all das belegen sollte, von Kurz’ Mitarbeitern eigenhändig manipuliert worden. An Dutzenden Stellen hatten Beamte des Ministers vermeintlichen Belege für Integrationsdefizite in die Studie hineingeschrieben.

Folgen hatte die Enthüllung aber nur für den Studienmacher, den Islamwissenschaftler Ednan Aslan. Die Uni Wien leitete eine Verfahren zur Überprüfung der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit des Islamwissenschaftlers ein; die Stadt Wien kündigte an, möglicherweise gegen Aslan gerichtlich vorzugehen. Kurz selbst hingegen dürfte weder dieser noch der aktuelle Fall geschadet haben. In Umfragen für die am 15. Oktober stattfindende Nationalratswahl liegt seine ÖVP deutlich vorn.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal