Universitäten auf der Flucht

Der Konflikt um Krim und Donbass zwingt auch ukrainische Bildungseinrichtungen zur Mobilität

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit mehr als drei Jahren wird der Alltag der Menschen auf der Halbinsel Krim sowie im Donbass durch den politischen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland beeinflusst. Der Krieg in der Ostukraine und die russische Annexion der Krim haben das Leben von rund sechs Millionen Ukrainern verändert. Doch nicht nur die Menschen selbst, sondern auch Institutionen müssen sich der schwierigen Lage anpassen. Ein ganz besonderer Fall dabei: 18 Universitäten aus den beiden Krisengebieten, die im Verlauf der vergangenen Jahre auf das von Kiew kontrollierte Gebiet »ausgewandert« sind.

Vor allem für die beiden Universitäten aus Donezk und Simferopol geht es gerade um das Überleben. Vor 2014 gehörten die beiden Einrichtungen zu den besten Universitäten der Ukraine, deswegen dürfen sie sich als »nationale Universitäten« bezeichnen. Die Donezker Universität hat 2015 ihre neue Heimat im zentralukrainischen Winnyzja gefunden, die Universität Simferopol ist als einzige aus der Reihe der »geflüchteten Universitäten« in der Hauptstadt Kiew stationiert. Sowohl in Donezk als auch in Simferopol existieren immer noch die originalen Versionen der beiden Einrichtungen, international werden diese jedoch lediglich von Russland anerkannt.

»Unseren Einschätzungen zufolge hat die Universität in Donezk zwei Drittel ihrer Studenten verloren, auch ein Drittel des akademischen Personals ist weg«, sagt Roman Grynjuk, Rektor der Universität Donezk in Winnyzja. »Für ältere Leute war es deutlich schwieriger, das besetzte Gebiet zu verlassen. Die meisten Studenten wollen aber in der Volksrepublik Donezk nicht studieren. Manche wegen ihrer politischen Einstellungen, viele aber auch deswegen, weil ihre Abschlüsse von dort nicht anerkannt werden.« So ist gerade in Winnyzja die Anzahl der Studenten hoch, die immer noch im besetzten Gebiet leben, in die Zentralukraine aber fürs Studieren fahren.

Das neue Zuhause hat die Universität Donezk im Gebäude der alten Schmuckfabrik gefunden, in dem mittlerweile rund 5000 Studenten lernen. Ein großes Problem bleiben jedoch die Wohnheime: Seit zwei Jahren versuchen das Rektorat und die Stadtverwaltung von Winnyzja vergeblich, eine passende Lösung zu finden. »Ein großer Teil unserer Studenten wohnt in Wohnheimen anderer Universitäten, viele müssen sich aber selbst um eine Wohnung kümmern«, sagt Grynjuk. »Es ist natürlich schwer und alles andere als gut. Wir sind hier in Winnyzja aber zu Gast - und können deswegen nicht alles unserem Geschmack nach einrichten.«

Während die Universität Donezk sowie 16 andere Einrichtungen aus dem umkämpften Donbass per Erlass des Bildungsministerium umgezogen sind, musste der mit der russischen Politik nicht einverstandene Teil der Universität Simferopol lange um den Umzug kämpfen. »Ich hatte manchmal das Gefühl, Kiew wäre daran nicht interessiert«, sagt deren Rektor Wolodymyr Kasarin, der die Universität Simferopol vor März 2014 leitete. »Doch heute haben wir gleich mehrere Gebäude in der Hauptstadt - und fühlen uns sehr wohl.« Für den Kiewer Abschnitt der Universität Simferopol ist gerade das erste Jahr zu Ende gegangen, Kasarins Fazit klingt positiv.

»Uns ist es gelungen, eine Plattform für Binnenflüchtlinge von der Krim zu schaffen«, erklärt er. »Wir haben uns ganz gut beim Bildungsministerium durchgesetzt, was Fernunterricht sowie flexibles Studienjahr betrifft. Die Abiturienten dürfen sich ja während des ganzen Jahres bei uns einschreiben, wegen der besonderen Situation rund um die Krim ist das notwendig.« Anders als bei den aus dem Donbass geflüchteten Universitäten leben die meisten Studenten aber längst in Kiew oder auf dem ukrainischen Festland.

»Es ist eine andere Situation. Zum einen ist es auf der Krim relativ friedlich«, sagt Kasarin. »Zum anderen hat die Universität Simferopol auf der Halbinsel den föderalen Status in Russland. Sie wird natürlich international genauso wenig wie die Universität Donezk anerkannt, hat aber eine etwas andere Bedeutung.« Daher studieren in Kiew eben vor allem die Leute, die sich aus politischen oder anderen Gründen für das Leben und Lernen in der Ukraine entschieden haben.

Aus der Sicht von Jekaterina Smaglij, die das Kennan-Institut in Kiew leitet und eine Studie zu den »geflüchteten Universitäten« verfasste, gibt der Universität Simferopol bessere Überlebenschancen. »Das Problem der Universität Donezk ist zum Beispiel, dass sie in Winnyzja langsam ihre lokale Identität verliert. Es gibt langsam mehr Abiturienten aus der Region selbst als aus dem Donbass«, betont Smaglij. »Die Situation ist gleich für mehrere Einrichtungen. Deswegen ist die Frage oft nicht, ob sie überleben, sondern, ob sie in fünf bis sieben Jahren überhaupt noch einen Bezug zur ursprünglichen Region haben.«

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