London will weiche Grenze in Nordirland

Karfreitagsabkommen, Reisefreiheit und freier Warenverkehr sollen uneingeschränkt gültig bleiben / Dublin reagiert zufrieden

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die britische Regierung möchte nach dem EU-Austritt die Einrichtung einer harten Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland vermeiden. In einem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier plädiert London dafür, bei den Brexit-Verhandlungen die »einzigartigen Umstände« im Fall Nordirlands zu berücksichtigen.

Das Karfreitagsabkommen aus dem Jahr 1998, das den Jahrzehnte langen Konflikt in der Region formell beendet hatte, solle »in allen Teilen« aufrecht erhalten bleiben, heißt es in dem Papier. Das 1923 eingerichtete »Einheitliche Reisegebiet«, das weitgehend offene Grenzen zwischen Großbritannien, Nordirland, Irland, der Isle of Man und den Kanalinseln vorsieht, soll erhalten bleiben. Und auch beim Warenverkehr soll eine »harte Grenze« zwischen Nordirland und der Republik Irland mit Kontrollen vermieden werden.

Der zukünftige Status Nordirlands ist eine der komplexesten Fragen bei den Brexit-Verhandlungen. Denn sobald Großbritannien die EU verlässt, wird die rund 500 Kilometer lange Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zur wichtigsten Landgrenze zwischen Großbritannien und der EU werden. Rund 30 000 Menschen überqueren diese Grenze täglich; die Wirtschaft Nordirlands ist mit der in der Republik Irland eng verknüpft. Für pro-irische Nationalisten wäre die Wiedereinführung einer »harten« Grenze mit Grenz- und Zollkontrollen indiskutabel. Für die Wirtschaft wäre die Einführung von Zöllen katastrophal.

Um das zu verhindern, verweist London auf ein bereits am Dienstag veröffentlichtes Positionspapier zur Zollunion. Darin schlägt sie die Einrichtung einer neuen Zollunion für die Zeit nach dem Brexit vor, in der weiterhin Waren zwischen Großbritannien und der EU zollfrei gehandelt werden können. Alternativ spricht sich London für neue Regelungen aus, die einen weitgehend reibungslosen Warenverkehr ermöglichen sollen.

Den Vorschlag der irischen Regierung, die Zollgrenze zukünftig in die Irische See zwischen Irland und Großbritannien zu verlegen, lehnt London ab. Die Democratic Unionist Party (DUP), eine pro-britische nordirische Regionalpartei, auf deren Abgeordnete die Regierung von Theresa May im Unterhaus angewiesen ist, möchte von diesem Vorstoß ebenfalls nichts wissen.

Dublin bezeichnete die neuen Vorschläge aus London am Mittwoch als »zur rechten Zeit kommend und hilfreich«. Der Friedensprozess in Nordirland müsse bewahrt werden und dürfe »nicht zu Verhandlungsmasse werden«, erklärte auch Dublin.

Mark Daly, Vizechef der oppositionellen Fianna Fáil-Partei, bezeichnete die beiden bislang veröffentlichten Positionspapiere jedoch als »Fiktion«. In einem Radiointerview sagte Daly: »Die britische Regierung wirft mit Begriffen wie ›reibungslose Grenze‹ um sich und hofft, dass das bei der EU Fahrt gewinnt.« Konkrete Vorschläge vermisse er hingegen. Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland könnte zu einer »Hintertür für Schmuggler« werden.

In der Tat lässt das Positionspapier aus London viele Fragen unbeantwortet. So könnten in Zukunft, falls es entlang der Grenze keine Kontrollen geben sollte, auch EU-Bürger unkontrolliert nach Großbritannien einreisen. Das dürfte viele Brexit-Unterstützer verärgern, die für den EU-Austritt gestimmt haben, um den Zuzug von EU-Bürgern zu stoppen.

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