SPD-Minister feiert Erfolg gegen Gefährder

Bundesverwaltungsgericht bestätigte erste Abschiebungen nach neuer Gesetzeslage in Niedersachsen

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärte am Dienstag die ersten beiden Abschiebungen sogenannter terroristischer Gefährder aus der Bundesrepublik für rechtmäßig. Der Erste Senat des obersten deutschen Verwaltungsgerichts sah die Entscheidungen des niedersächsischen Innenministeriums von Februar als richtig an, zwei als Sympathisanten der terroristischen Vereinigung »Islamischer Staat« (IS) eingestufte Männer nach Algerien und Nigeria abzuschieben.

»Hierfür bedarf es einer Bedrohungslage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheitsgefährdenden oder terroristischen Tat jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann«, sagte der Vorsitzende Richter des Ersten Senats, Uwe-Dietmar Berlit, zur Begründung der beiden Urteile (Az. 1 A 2.17 und 1 A 3.17). Diese Voraussetzungen sehe der Senat »im Fall der beiden salafistischen Gefährder auch nach neuerlicher Überprüfung« als erfüllt an. »Sie waren insbesondere beide seit Längerem in der radikal-islamistischen Szene in Deutschland verankert, sympathisierten mit der terroristischen Vereinigung ›Islamischer Staat‹ und hatten mehrfach Gewalttaten unter Einsatz von Waffen angekündigt.«

Bereits im März hatte der Erste Senat des Bundesverwaltungsgerichts in zwei Beschlüssen entschieden, dass die beiden Männer abgeschoben werden dürfen. Im April folgte dann die Abschiebung eines der beiden nach Nigeria, im Juli die des anderen Mannes nach Algerien. Im Fall des nach Nigeria ausgeflogenen Mannes hatten die Richter angeordnet, dass die dortigen Behörden den Grund für die Abschiebung nicht erfahren dürfen, damit dem Mann keine Gefahr in dem afrikanischen Land droht. Die Anwältin des Mannes sagte vor Gericht, dass ihr Mandant »ruhig und unbehelligt« in Nigeria lebe und dort bei Verwandten, die christlichen Glaubens seien, untergekommen sei.

Für die Abschiebung nach Algerien sahen es die Richter im März als nötig an, dass eine algerische Regierungsstelle vor dem Flug in das Land zusichert, dass dem Mann keine Folter und keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. »Nach einem Gespräch des Klägers mit dem algerischen Generalkonsulat während seiner Inhaftierung in Deutschland konnte aber davon ausgegangen werden, dass er in Algerien wegen seines Verhaltens in Deutschland nicht als Terrorist behandelt wird, weshalb zum Zeitpunkt seiner Abschiebung kein reales Risiko für Folter oder unmenschliche Behandlung mehr bestand«, erläuterte Richter Berlit. »Auch der Kläger ging davon aus, dass ihm in Algerien nichts droht, weshalb er selbst um seine Abschiebung gebeten hatte.« Diese Einschätzung habe sich nach seiner Ankunft und Befragung in Algerien bestätigt.

Bei den beiden Abschiebungen war erstmals in Deutschland von Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes Gebrauch gemacht worden, wonach die Abschiebung »zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder einer terroristischen Gefahr« möglich ist. Hier muss noch keine Straftat erfolgt sein, es genügt, dass mögliche Straftaten angekündigt worden sind. Es geht also nicht um Strafverfolgung, sondern um Gefahrenabwehr. Die Abschiebung muss im Unterschied zum üblichen Verfahren nicht angekündigt werden und kann sofort erfolgen. Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte dieses Vorgehen.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich erfreut über das Urteil. Pistorius erklärte, Niedersachsen habe »den Paragrafen 58a des Aufenthaltsgesetzes als erstes Bundesland angewandt und rechtliches Neuland betreten«. Nun sei bestätigt, »dass wir rechtmäßig gehandelt haben«. »Niedersachsen ist entschlossen im Kampf gegen Extremisten und wird auch in Zukunft alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen diese vorzugehen«, erklärte Pistorius. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sprach von einem »großen Erfolg« für Pistorius. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Linie des Ministers bestätigt, konsequent gegen Gefährder vorzugehen, erklärte er. »Wer terroristische Anschläge plant, darf nicht auf Nachsicht hoffen, sondern muss mit Verhaftung, Ausweisung und Abschiebung rechnen.« Nach dem Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 von Anis Amri war Kritik laut geworden, dass die Behörden nicht schon in diesem Fall Paragraf 58 a des Aufenthaltsgesetzes genutzt und den späteren Attentäter Amri abgeschoben hatten. Mit Agenturen

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