Beton gegen Bedrohung Belpaeses

Italiens Städte sichern ihre Fußgängerzonen vor Lieferfahrzeug-Attentätern

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenngleich Italien bislang noch nicht zum Schauplatz terroristischer Anschläge geworden ist, eines haben die Islamisten bereits geschafft: Die Angst ist im »Belpaese« angekommen. Die Attentate von Nizza, Berlin und Barcelona zeigen Wirkung. Von Mailand bis Palermo sind die Sicherheitsmaßnahmen in beliebten Fußgängerzonen verstärkt worden.

Betonsperren, meist hässlich anzusehen, verhindern die Zufahrt zu den Passagen, Lieferfahrzeuge müssen langsam einen Parcours bewältigen, der eine attentatsreife Geschwindigkeit der Fahrzeuge nicht zulässt. Zudem wurde die Präsenz der Sicherheitskräfte verstärkt, an besonders neuralgischen Punkten fährt martialisch bewaffnetes Militär auf.

Nach dem Attentat von Barcelona, dem auch zwei Italiener zum Opfer fielen, berief Innenminister Marco Minniti das Komitee für Strategische Analysen und Antiterrorismus ein, um über nächste Konsequenzen zu entscheiden. »Die Bedrohungslage ist unverändert hoch«, so Minniti. »Ebenso hoch bleibt unsere Aufmerksamkeit. Das Gipfeltreffen zwischen der Polizeiführung und den Geheimdiensten hat unseren Maßnahmenkatalog bestätigt.«

Was innerhalb der EU schwierig zu sein scheint, wird in Italien bislang erfolgreich realisiert: Polizei, Carabinieri und Dienste tauschen regelmäßig Informationen über »Gefährder« aus. Schon bei geringem Verdacht werden mutmaßliche Islamisten ausgewiesen, in diesem Jahr bereits 70, seit 2015 waren es 202. Auf Flughäfen, Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen demonstriert Militär schwer bewaffnete Präsenz.

Darüber hinaus werden muslimische Zentren beobachtet. Imame, die zu Dschihad und Hass aufrufen, müssen mit Ausweisung rechnen. Anders als in Nachbarstaaten hat Italien die Einrichtung von Ghettos vermieden, in denen die Bewohner sich selbst überlassen und IS-Werber aktiv werden können. Darüber hinaus unternehmen Polizei und Dienste präventiv Hausdurchsuchungen und Personenkontrollen in von Muslimen und Migranten bevorzugten Wohngebieten. Dies kann Unschuldige treffen und irritieren, die harte Linie ist jedoch klar: Lieber einmal mehr Unverdächtige belästigen als einen Anschlagsversuch übersehen.

Über 400 verdächtige Strafgefangene werden beobachtet, um rechtzeitig Radikalisierungs- oder Anwerbeversuche zu unterbinden. Setzt die EU generell darauf, rückkehrende IS-Kämpfer wieder in die Gesellschaft zu integrieren, so gilt die Aktivität als »Foreign Fighter« in Italien als Straftat und wird entsprechend geahndet. Ob dieser Maßnahmenkatalog bislang zum Erfolg führte oder Italien nur noch nicht reif für einen Anschlag war, kann nicht mit Sicherheit bewertet werden.

Erst in dieser Woche drohten die Islamisten über das Internet mit einem Anschlag in Italien. Ein »Lone Mujahid« kündigte an: »Spanien, Finnland, Russland, wer kommt als nächstes?« und stellte dann die italienische Flagge ins Netz. Die Enkel von Tariq ibn Ziyad und Omar al-Mukhtar würden den Islam verteidigen und »euch mitten ins Herz treffen«.

Ersterer besiegte im 7. Jahrhundert die Westgoten unter Roderich und fiel in der iberischen Halbinsel ein, letzterer gilt in der arabischen Welt bis heute als Widerstandskämpfer gegen die Mussolini-Truppen in Libyen. Drohungen also, die im geschichtlichen Zusammenhang durchaus ernst zu nehmen sind. Entsprechend hoch bleibt die Alarmstufe der italienischen Sicherheitskräfte. Einwohner wie Touristen werden sich also weiter mit hässlichen Betonsperren abfinden müssen.

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