Werbung

Muskelspiele gegen Links

Innenminister untersagt Medienplattform

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesinnenministerium hat am Freitagmorgen die Internetplattform linksunten.indymedia.org verboten. Wie zunächst der »Spiegel« berichtet hatte, sei eine entsprechende Verbotsverfügung den drei in Freiburg lebenden Betreibern der Website zugestellt worden. Dabei kam es auch zu mehreren Hausdurchsuchungen, Computer wurden beschlagnahmt. Festnahmen gab es allerdings keine. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich am Freitagvormittag in einer Pressekonferenz zum Verbot.

In der Begründung für das Vorgehen gegen die Website heißt es, das Portal laufe »nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider« und richte sich gegen die »verfassungsmäßige Ordnung«. Neben dem Portal selbst wurden auch alle Kennzeichen von Indymedia untersagt. Im Verfahren gegen die Plattform wandten die Sicherheitsbehörden einen umstrittenen Kniff an: Förmlich handelt es sich um ein Vereinsverbot - die Betreiber wurden demnach von den Behörden als Verein eingestuft, obwohl es formal aber gar keinen solchen gibt.

Der sächsische Grünen-Politiker und Rechtsanwalt Jürgen Kasek hält das Verbot für gewagt: »Das auf der Internetseite auch strafrechtlich relevante Texte standen, ist unbestritten. Allerdings reicht das nicht aus, sondern der Verein selber muss dies aktiv fördern und verbreiten«, heißt es in einer Stellungnahme. Das Ministerium habe im vorliegenden Fall eine Haftung für die eingestellten Inhalte »konstruiert«. Kasek ist sich daher keinesfalls sicher, ob das Verbot rechtlich Bestand hat. »Bei Licht betrachtet dürfte es vor allen Dingen darum gehen, ein Zeichen gegen ›Linksextremismus‹ zu setzen und im Wahlkampf Handlungsfähigkeit und Stärke zu demonstrieren.«

Die sächsische LINKEN-Politikerin Juliane Nagel zweifelt ebenso an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme: »Ich denke, dass dieses Verbot auf dünnem Eis steht«, erklärte sie gegenüber der »Leipziger Volkszeitung«. Wahrscheinlich sei der Druck nach den Ereignissen rund um den G20-Gipfel zu groß geworden, vermutet sie. Die Begründung des Innenministeriums, wonach das Einstellen strafbarer Inhalte zum Verbot geführt habe, erinnert die Leipzigerin an eine andere Debatte über die sozialen Netzwerke. »Es gibt ja auch bei Facebook immer wieder Diskussionen, den Betreiber stärker zur Verantwortung zu ziehen und regulierend einzugreifen.«

Eine vollständige und dauerhafte Abschaltung des Webportals dürfte sich tatsächlich schwierig gestalten, da die Website nicht auf einem einzelnen Server gespeichert ist und sich die Infrastruktur wahrscheinlich teilweise auch im Ausland befindet. De Maizière räumte ein, dass die Abschaltung der Plattform »heute oder morgen technisch noch nicht möglich sein wird«. Der Innenminister betonte, dass sich das Verbot ausschließlich gegen den nach seinen Worten linksradikalen Ableger des weltweiten Netzwerks Indymedia richtet und nicht gegen die Website de.indymedia.org, die mit anderen Inhalten aufmacht.

Linksunten.indymedia.org existiert in seiner jetzigen Form seit dem Jahr 2009. Seiner Selbstbeschreibung nach will die Plattform »Bewegungen die Möglichkeit bieten, frei von staatlichen Kontrollen und kapitalistischen Interessen Berichte, Erfahrungen, Analysen, Träume und Meinungen zu verbreiten, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen«.

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (LINKE) würdigte die Plattform via Twitter mit den Worten: »Gegen Nazis, Identitäre, Abtreibungsgegner ist Linksunten unverzichtbar. Wahrscheinlich buhlt die CDU im Wahlkampf um genau diese Gruppen.« Auch die Thüringer LINKEN-Politikerin Katharina König-Preuss wandte sich gegen das Verbot und betonte die Relevanz der Plattform: »Während der Verfassungsschutz Akten und Infos schredderte, veröffentlichte Linksunten Infos über den ›NSU‹ und dessen Umfeld.«

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es: »Bei ›linksunten.indymedia‹ handelt es sich um das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus.« Seit Jahren biete »es ein Forum für weitgehend distanzlose Berichte über linksextremistische Agitation und Straftaten.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal