Hennen fürs Schlachthaus

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Tötungstrupp rückt an, legt in die Hühnerställe Schläuche, durch die kurz darauf giftiges Kohlendioxyd strömt. Die Hühner kippen um, sterben, werden eingesammelt und zur Tierkörperbeseitigungsanlage transportiert. Das Miterleben dieses Verfahrens, das bei Geflügelseuchen angewendet wird, ist drei Legehennenhaltern in Niedersachsen erspart geblieben. Ihre Hühner durften die mit dem verbotenen Insektizid Fipronil belasteten Quartiere lebend verlassen, wenn auch in Richtung Schlachthaus.

Über eine Massentötung mit anschließender Entsorgung der Hennen war durchaus nachgedacht worden. Immerhin droht den drei wegen Fipronil gesperrten Betrieben erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Wegen des Giftbefalls waren die Geflügelhalter zum Vernichten tausender Eier gezwungen, hatten demnach keinen Nutzen von den Hühnern, mussten sie aber dennoch täglich füttern.

Doch das tausendfache Töten vor Ort hätte die Hennenbesitzer mit dem Tierschutzgesetz in Konflikt gebracht. Verlangt es doch für einen solchen Schritt »einen vernünftigen Grund«. Und ein solcher, so hatte das Landwirtschaftsministerium in Hannover gewarnt, sei allein durch den Nachweis von Fipronil nicht gegeben. Schließlich werde der Giftstoff sowohl im Fleisch als auch in den Eiern abgebaut.

Doch Tage nach dieser Meldung, kam die Entwarnung: Zwar dürfen die Eier aus den gesperrten Betrieben nach wie vor nicht auf den Markt kommen, aber Laborergebnisse hatten ergeben, dass die Fibronilbelastung in den Hennen unter der Nachweisgrenze liegt, und das hieß: Sie dürfen geschlachtet, ihr Fleisch zum Verzehr verwertet werden.

Doch nun galt es, einen Großschlachter zu finden, der die 100 000 Tiere haben will. Muss ihm doch deren Herkunft nachgewiesen werden, und: Nach »Fipronil-Hühnern«, auch wenn sie als »gesund« gelten, dürfte wohl kaum ein Schlachtunternehmen, um sein Image fürchtend, die Hände ausstrecken.

Nun aber haben die drei Bentheimer Betriebe einen Abnehmer für die Hennen gefunden: einen Schlachthof in Belgien. Sind die Tier auf dem Weg dorthin, werden ihre Ställe gründlich gereinigt - und neue Hühner dürfen einziehen.

Damit ist der Ärger für die drei Geflügelhalter jedoch nicht zu Ende. Noch sind sie und zwei Kollegen aus den Kreisen Emsland und Leer im Visier der Staatsanwaltschaft. Sie hat die Betriebe durchsucht, Papiere sichergestellt und ermittelt weiter, ob die Hühnerhalter vom Fipronil-Einsatz bei der Stalldesinfektion gewusst hatten. Nein, haben wir nicht, unterstreichen die fünf Hennenhalter.

Inzwischen sorgt im Eierskandal ein weiterer Giftstoff für Unruhe. Die Desinfektionsmittel-Kanister, in denen Fipronil entdeckt wurde, enthielten nach Informationen des »Spiegel« auch das Pestizid Amitraz. Das Nachrichtenmagazin erwähnt in diesem Zusammenhang einen vertraulichen Bericht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Amitraz wird bei Haustieren zur Bekämpfung von Insekten und Milben verwendet. Als Pflanzenschutzmittel darf es in der EU nicht mehr eingesetzt werden. Bei Menschen kann das Mittel niedrigen Blutdruck, Sprachstörungen und Probleme bei der Orientierung hervorrufen, heißt es. Laut »Spiegel« wird geprüft, ob auch dieses Gift in Eier gelangt ist.

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