Chinas Lössplateau: Mehr Wald - weniger Wasser

Der Dresdener Geowissenschaftler Kai Schwärzel über Bodennutzung und Wüsten

  • Lesedauer: 4 Min.

Worum geht es bei dem Treffen in China?

Die Wüstenkonvention hatte bei ihrem Abschluss vor 20 Jahren das primäre Ziel, die Ausbreitung von Wüsten zu stoppen. Auf der COP13 soll die Rahmenstrategie der Konvention bis 2030 verabschiedet werden. Zentrales Element ist das Nachhaltigkeitsziel 15 (Leben an Land) der Agenda 2030 der UN. Dabei geht es darum, bis 2030 Landdegradierungsneutralität zu erreichen. Dies bedeutet, dass sich künftig der Bodenverlust zum Beispiel durch Erosion, Versiegelung oder Versalzung und die Wiederherstellung des Bodens die Waage halten sollen. Damit wird international erstmals ein konkretes Ziel für den Bodenschutz formuliert. Darauf setze ich sehr, denn so gerät der Boden mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Warum ist der Bodenschutz so wichtig?

Das Thema Boden wird im Vergleich zum Klima kaum wahrgenommen. Das ist ein Problem, denn viele Umweltprozesse und -dienstleistungen werden durch die Böden gesteuert. Dazu zählen etwa die Erzeugung von Biomasse, die Bodenerosion, die Infiltration von Regenwasser oder die Qualität von Oberflächen- und Grundwasser. In den vergangenen 40 Jahren wurde weltweit ein Drittel der Ackerbauflächen durch Bodenerosion und Verschmutzung stark beeinträchtigt. Das ist fatal, denn die Bildung eines Bodens dauert sehr lange. Bis sich 25 Millimeter Boden gebildet haben, vergehen mindestens 500 Jahre.

Aber ist das nicht eher wieder eine internationale Konferenz, bei der Wissenschaftler Studien präsentieren, die die Politik in der Schublade verschwinden lässt?

Das Treffen ist ein politisches Forum, bei dem Entscheidungsträger, Wissenschaftler und Praktiker aus der ganzen Welt teilnehmen. Durch die geplante Verabschiedung der Strategie bin ich optimistisch, dass sich hier der Rahmen setzen lässt für den Schutz von Land und Boden in den nächsten Jahrzehnten.

Werden konkrete Maßnahmen beschlossen, wie man Böden erhalten kann?

Prinzipiell ist bekannt, wie sich weltweit der Boden schützen lässt. Es hapert aber an der Umsetzung; vor allem in Entwicklungsländern sind die Institutionen nicht stark genug. Dies hat einen großen Einfluss auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, auf die Richtlinien und auf das Geld, um die Maßnahmen umzusetzen. Die UNCCD wird den Unterzeichnern der Strategie helfen, zum Beispiel finanzielle Ressourcen zu mobilisieren.

Sie forschen an der UNU-FLORES in Dresden zum Thema Landnutzung. Wo sehen Sie denn den dringendsten Handlungsbedarf?

Wir müssen vor allem das Monitoring der Umwelt verbessern. Seit einigen Jahren ist die Anzahl von Messstationen rückläufig, insbesondere in unterentwickelten Regionen. Langzeit-Messdaten sind unerlässlich, um neue Phänomene zu identifizieren oder um Simulationsmodelle zu füttern. Letztere dienen dazu, Prognosen zu erstellen oder neue Theorien zu testen. Zudem wird Umweltmanagement immer noch zu sehr in einzelne Kompartimente unterteilt, etwa Wasser, Boden, Abfall, Klima oder Artenvielfalt. Will man Aussagen zur Landnutzung treffen, muss man das Ganze im Blick haben.

Worin liegt die Gefahr, wenn nur eine Ressource betrachtet wird?

Wir haben zum Beispiel sehr viel zu den Aufforstungsprogrammen in Chinas Lössplateau geforscht, einer Fläche so groß wie Frankreich. In der Region setzt die Regierung seit den 1950er Jahren das größte Aufforstungsprogramm der Welt um. Die Lössböden sind sehr fruchtbar, aber extrem anfällig gegenüber Erosion durch Wind und Wasser. Beispielsweise wurden im Gelben Fluss in den 1970er Jahren Sedimentfrachten von bis zu zwei Gigatonnen pro Jahr gemessen. Durch die Aufforstung stieg der Waldanteil im Lössplateau von fünf Prozent im Jahr 1949 auf 20 Prozent im Jahr 2009. Dadurch wurde die Erosion drastisch reduziert, die Sedimentfracht ging auf jährlich 0,5 Gigatonnen zurück. Im gleichen Zeitraum hat sich aber in der Region das Problem der Wasserknappheit deutlich verschärft.

Was war die Folge?

Im Gelben Fluss hat sich der Wasserabfluss seit den 1950/60er im Mittel um zwei Drittel verringert. Das ist besorgniserregend, da etwa 100 Millionen Menschen im Lössplateau und etwa 400 Millionen Menschen in der Nordchinesischen Ebene teilweise vom Wasser des Gelben Flusses abhängig sind. Es wird heute generell akzeptiert, dass erfolgreiche Bodenschutzmaßnahmen wie etwa Aufforstung oder Terrassierung entschieden dazu beigetragen haben, die Wasserknappheit in der Region zu verschärfen.

Welche Schlussfolgerungen haben Sie aus Ihrem Projekt im Lössplateau gezogen?

Es ist notwendig, dass China seine Aufforstungsstrategie überdenkt. Beispielsweise muss bei der Baumartenauswahl für die Aufforstung viel stärker als bisher auf standortspezifische Gegebenheiten geachtet werden. In manchen Fällen kann es ratsam sein, auf Aufforstungen zu verzichten und stattdessen lieber Grasland zu etablieren. Unsere Arbeiten in einem Robinienbestand im Lössplateau zeigen, dass nicht die Baumschicht, sondern die Gras- und Strauchschicht des Bestandes am stärksten Wasser verbraucht. Wir schlagen deshalb einen Waldumbau vor. Ziel ist es, die Gras- und Strauchschicht durch die Einführung von Baumarten zu überschatten und dadurch die Gesamtverdunstung des Bestandes zu reduzieren. Letzteres erhöht die Sickerwassermengen.

Chinas Regierung hat die Aufforstungsprogramme bis 2050 verlängert. Hat sie den Rat der Wissenschaft beherzigt?

Es kann dauern, bis wissenschaftliche Erkenntnisse in der Politik landen. Das ist ein zäher Prozess. Weil die Konferenz aber in China stattfindet, könnte das helfen, den Prozess zu beschleunigen.

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