Qualität für jedermann?

Amazon setzt Lebensmitteleinzelhändler mit Preissenkungen unter Druck

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Jahrelang machte in den USA ein Scherz über das Einkaufen bei Whole Foods die Runde. Der Name stehe für »Whole Paycheck«: Beim Einkaufen im Supermarkt für Bio-Lebensmittel werde der gesamte Gehaltsscheck fällig. Whole Foods war teuer - bis der Online-Handelsriese Amazon die Ladenkette aufkaufte.

Amazon hat 13,7 Milliarden Dollar für Whole Foods auf den Tisch gelegt. Nur einen Tag nach Inkrafttreten des Kaufvertrags wurden nun die Preise für die meistverkauften Waren in allen 470 Läden in den USA, Kanada und Großbritannien auf einen Schlag um 43 Prozent gesenkt. »Wir sind entschlossen, gesunde und Bio-Kost erschwinglich für jedermann zu machen«, sagte Jeff Wilke, Chef der Amazon-Sparte Worldwide Consumer, der die Ladengeschäfte unterstehen. »Jeder sollte in der Lage sein, Whole-Food-Qualität zu essen. Wir werden die Preise senken, ohne die seit langem bestehende Verpflichtung auf höchste Qualitätsstandards zu mindern.« Das trifft auch für jene Produkte zu, die typischerweise Vertreter der hochgebildeten, gehobenen Mittelschicht dort kaufen: große braune Eier aus Freilandhaltung und sogenannte Super-Lebensmittel wie Avocados, Babykohl oder Mandelbutter als Alternative zu der die Arterien verstopfenden normalen Milchbutter.

Die Strategie könnte aufgehen. Holly Batchelder aus Boston kaufte bisher meist im Supermarkt Roche Brothers ein, der auf dem Weg zur Arbeit liegt. Angesichts der neuen Preise ist sie nun zu Whole Foods in die Cambridge Street gegangen. »Ich werde dort auf jeden Fall wieder einkaufen. Es hängt davon ab, wie stark die Preise sinken«, sagt die 29-Jährige. »Die hier angebotene Qualität ist ganz offensichtlich großartig.«

Den Mitgliedern seines Premium-angebots »Prime« in den USA räumt Amazon weitere Nachlässe ein. Und der Online-Händler bietet seine stimmengesteuerten Elektronikartikel auch in den Bio-Läden an. Das ist ein Synergieeffekt, auf den Konzernchef Jeff Bezos von Anfang an hinauswollte, als er seine Fühler in den stationären Einzelhandel ausstreckte. Ferner können Amazonkunden ihre übers Internet bestellten Waren in den Läden abholen. Andersherum geht es auch: Die schon immer etwas preiswerteren Eigenmarken von Whole Foods sind jetzt auch online bei Amazon bestellbar. »Hier wächst etwas Gutes - Whole Foods + Amazon« ist auf Transparenten in den Läden zu lesen.

Um mit gewöhnlichen Supermärkten mithalten zu können, müssten die Preise durchgängig um zehn Prozent gesenkt werden, meint Mark Baum vom Food Marketing Institute. Bei Whole Foods seien die hohen Preise die Hemmschwelle zum Einkauf dort gewesen. Nach dem Auftreten von Amazon auf dem Markt müssten die Lebensmitteleinzelhändler sich ihre Preisgestaltung neu überlegen. Es gehe um einen Markt mit einem Volumen von 800 Milliarden Dollar.

Andere Supermarktketten wie Kroger aus Cincinnati mit fast 3000 Läden in den USA senken schon ihrerseits die Preise, um konkurrenzfähig zu bleiben. Aber auch deshalb, weil die billig anbietenden deutschen Ketten Aldi und Lidl in den USA expandieren.

Der wahre Test für den Einzelhändler Amazon kommt nach Meinung von Robert Chapman Wood, Ökonom an der San José State University, aber erst in der Auseinandersetzung mit dem weltgrößten Einzelhändler Walmart. »Es ist leicht, die niedrigsten Preise zu haben«, sagt Wood. »Worauf es ankommt, ist, die niedrigsten Kosten zu haben.«

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