EU-Kommission blockt Überprüfung kritischer Rohstoffprojekte ab

Die EU will mit neuen Bergbauprojekten ihre Importabhängigkeit bei kri­ti­schen Rohstoffen verringern

  • David Zauner
  • Lesedauer: 3 Min.
Lithiumhydroxid im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – es kann auch als Endprodukt aus Geothermalwasser gewonnen werden.
Lithiumhydroxid im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – es kann auch als Endprodukt aus Geothermalwasser gewonnen werden.

Lithium, Kobalt und Seltene Erden sind unverzichtbar für Batterien, Windräder, Halbleiter und damit für die europäische Energiewende. Um nicht weiter in die Abhängigkeit vor allem von China zu geraten, hat die Europäische Union 47 Rohstoffprojekte innerhalb der EU als »strategisch« eingestuft.

Nach dem »Critical Raw Materials Act« dürfen sich Projekte zur Gewinnung kritischer Rohstoffe über Rückenwind freuen: beschleunigte Genehmigungsverfahren, vorrangige behördliche Behandlung – auch bei juristischen Verfahren –, Zugang zu EU-Fördertöpfen und weitere Hilfen.

Doch der Weg zu kritischen Rohstoffen führt auch hier in etlichen Fällen durch sensible Landschaften und Lebensräume. Umweltorganisationen und Anliegergemeinden kritisierten die EU-Kommission dafür, die Auswahl der Projekte intransparent und ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft durchzudrücken. Für 16 der Projekte forderten verschiedene Umweltorganisationen eine Neubewertung. Bei diesen Vorhaben, so die Argumentation, gebe es erhebliche Risiken für die Umwelt und die lokale Bevölkerung.

Die EU-Kommission hat diese Forderungen nun zurückgewiesen, wie das britische Klimaportal »Climate Home News« berichtete. Alle Projekte seien bereits umfassend geprüft worden, zitierte die Plattform einen Kommissionssprecher. Zudem sei es Sache der EU-Mitgliedsländer, zu gewährleisten, dass alle Projekte den europäischen Umweltstandards entsprechen.

Umweltverbände kritisierten die Entscheidung heftig. Die Versorgungssicherheit bei kritischen Rohstoffen sei zwar ein legitimes Ziel, hieß es bei der Umweltrechtsorganisation Client Earth. Es bestehe aber die Gefahr, dass der Status als strategisches Projekt missbraucht werde, um schnelle Genehmigungen zu erwirken.

»Der ökologische Wandel darf nicht auf Kosten der Sicherheit von Regionen und Gemeinden gehen«, sagte Juristin Ilze Tralmaka von Client Earth. Einschätzungen von Expert*innen legen nahe, dass der Lithiumbedarf möglichst stark gesenkt werden müsste und besser in Recycling statt in neuen Abbau investiert werden sollte.

Client Earth hatte mit anderen Organisationen die Neubewertung eines Lithium-Projekts in Portugal gefordert. Im Norden des EU-Landes plant das britische Unternehmen Savannah Resources Europas größten Lithium-Tagebau. Die Region lebt von Landwirtschaft und verfügt über empfindliche Wasserressourcen. Anwohner*innen fürchten Verschmutzung, sinkende Grundwasserspiegel und tiefgreifende Landschaftsveränderungen.

Auch für ein tschechisches Lithiumprojekt im Erzgebirge nahe der Grenze zu Sachsen forderten Umweltverbände eine Neubewertung. Dort warnen Kritiker*innen ebenfalls vor einer Absenkung und Verschmutzung des Grundwassers sowie vor negativen Folgen für die Biodiversität. Die geologische Lagerstätte erstreckt sich bis auf deutsches Staatsgebiet. Die Grüne Liga konnte mit Bürgerinitiativen verhindern, dass die EU den deutschen Teil des Bergbauprojekts als strategisch ausweist.

Weitere umstrittene Projekte liegen in Finnland, Schweden, Rumänien und Spanien. Da der Lithiumbedarf laut diverser Prognosen deutlich steigen dürfte, halten viele Politiker*innen die schnelle Entwicklung eigener Projekte für alternativlos. Viele der Vorhaben stehen allerdings noch am Anfang.

Unverarbeitetes Lithium kommt heute vor allem aus Chile in die EU, verarbeitetes aus China. Bei Seltenen Erden stammt knapp die Hälfte der Importe aus China, gefolgt von 28 Prozent aus Russland. Der Fokus liegt in der EU wie weltweit klar auf dem Rohstoffabbau. Von den 47 strategischen EU-Projekten entfallen 25 auf Rohstoffgewinnung, zehn auf Recycling.

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