Wenig Nachfrage nach der »Ehe für alle«

Standesämter bereiten sich auf neue Anforderungen vor - kurzfristig wird zusätzliches Personal geschult

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Ehe für alle« hat die Berliner Standesämter auf dem linken Fuß erwischt - und das, obwohl sich die Nachfragen von Interessenten in Berlin bislang offenbar in Grenzen halten. »Wir hatten mit mehr Nachfragen gerechnet, einen Ansturm erleben wir bisher aber nicht«, sagte Sabine Smentek (SPD), Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Inneres, am Dienstag in Berlin.

Schon lange bevor das Gesetz am 25. Juli 2017 bekanntgegeben wurde, hatten die Ämter in den Bezirken mit zahlreichen Problemen zu kämpfen, Personalmangel und veraltete Strukturen hatten zu langen Wartezeiten und damit zu Verärgerung bei den Bürgern geführt. »Der Beschluss des Bundestages zur ›Ehe für alle‹ hat die Notwendigkeit für Veränderungen nochmals unterstrichen und einige Standesämter vor zusätzliche Probleme gestellt«, sagte Smentek.

Nach ihren Angaben waren an den Standesämtern in Berlin, die neben der Schließung von Ehen vor allem für die Geburtsanzeigen und die Ausstellung von Sterbeurkunden zuständig sind, 2016 insgesamt 120 Standesbeamte beschäftigt. Diese bearbeiteten mit ihren Mitarbeitern im vergangenen Jahr - also vor der »Ehe für alle« - 13 500 Eheschließungen, 44 000 Geburtenanzeigen und 36 000 Sterbeurkunden. »Es ist ein Massengeschäft«, sagte die Staatssekretärin. Mit dem bundesweiten Inkrafttreten der »Ehe für alle« ab 1. Oktober 2017 falle in ihren Aufgabenbereich neben der erweiterten Schließung von Ehen auch die Umschreibung der bisherigen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften zu Ehen. Diese Dienstleistung sei kostenlos.

Sabine Smentek verwies darauf, dass sich nicht vorab beziffern lässt, wie viele Paare in Berlin eine Ehe schließen wollen. Das sei natürlich auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren so. Allerdings lasse sich auch nicht sagen, wie viele gleichgeschlechtliche Partnerschaften umgeschrieben werden müssen. »Wir rechnen mit annähernd 10 000. Etwa so viele Partnerschaften sind in Berlin geschlossen worden, und wir sind davon ausgegangen, dass sich Zuzüge und Wegzüge in etwa die Waage halten.«

Um sicherstellen zu können, dass die »Ehe für alle« auch tatsächlich fristgerecht zur Realität wird, haben Senat und Bezirke laut Smentek erstmals einen Lehrgang zur Ausbildung von Standesbeamten, die normalerweise an der Akademie für Standesamtswesen in Bad Salzschlirf erfolgt, nach Berlin geholt. In einem zweiwöchigen Grundkurs werden 30 Verwaltungsangestellte geschult und nach verkürzter Einarbeitungszeit für die Umschreibung zur Verfügung stehen. »Damit erhöhen wir die Kapazität in den Standesämtern binnen weniger Wochen um rund 20 Prozent«, sagte die Staatssekretärin. Die Kosten für die Ausbildung übernimmt das Land. Zudem liefen Gespräche mit 17 pensionierten Standesbeamten, von denen zwei bereit seien, sich reaktivieren zu lassen. Ferner würden auch acht Auszubildende im Rahmen der Notfallbestellung in Bezirken mit erhöhtem Personalbedarf zur Unterstützung eingesetzt. Dazu zählten Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf und Marzahn-Hellersdorf.

Als unbefriedigend bezeichnete Staatssekretärin Smentek anhaltende Probleme mit der Software des Personenstandsregisters, die die gleichgeschlechtlichen Ehepartner nicht korrekt erfassen könne. Hier habe der Bund signalisiert, dass man für die Nachbesserung ein Jahr brauche.

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