»Grandiose Selbsttäuschung«
Ostdeutsche Theologen Wolff und Schorlemmer kritisieren Reformationsjubiläum
Wittenberg. Knapp zwei Monate vor Abschluss der Feiern zum 500. Reformationsjubiläum ziehen die ostdeutschen Theologen Friedrich Schorlemmer und Christian Wolff eine negative Bilanz des Gedenkjahres. Die »Kirchentage auf dem Weg« seien »zum Fanal einer grandiosen Selbsttäuschung« geworden, heißt es in dem Memorandum »Reformation in der Krise - Wider die Selbsttäuschung«. Es sei versäumt worden, im Reformationsjahr die »Krise der Kirche in der säkularen Gesellschaft offen anzusprechen« und neue Visionen zu entwickeln.
Sechs regionale »Kirchentage auf dem Weg« hatten Ende Mai aus Anlass des Jubiläums den zentralen Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin begleitet. Der Kirchentagsapparat habe den acht mitteldeutschen Austragungsstädten ein »Mammutprogramm übergestülpt«, kritisierten der langjährige Leipziger Thomaskirchen-Pfarrer Wolff und Schorlemmer, der als ehemaliger Leiter der Evangelischen Akademie in Wittenberg und Ex-DDR-Bürgerrechtler in das Jubiläumsprogramm in der Lutherstadt eingebunden war. Zu den dreitägigen Regional-Kirchentagen kamen etwa 50 000 Besucher. Insbesondere die Besucherzahl von 15 000 in Leipzig blieb hinter den Erwartungen zurück.
Der Bedeutungsverlust der Kirchen schreite mit wachsender Intensität voran, heißt es in dem Memorandum. Kritik üben die Autoren auch an dem 2006 initiierten Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dieser sei mehr oder weniger im Sande verlaufen: »Was damals ›Leuchtfeuer‹ entfachen sollte, ist mehr oder weniger erloschen. Feuer kann eben nicht kirchenamtlich ›von Oben‹ verordnet werden.«
Die evangelische Kirche feiert bis Ende Oktober 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther seine Thesen gegen Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. epd/nd
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