Gleicher Lohn für gleiche Arbeit überall

Vorschläge für Reform der Entsenderichtlinie sorgt in Europa weiter für Streit

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem kleinen gallischen Dorf von Asterix und Obelix gar verglich ein französischer Botschaftsmitarbeiter scherzhaft die Arbeitgebervertreterin Renate Hornung-Draus in der Diskussionsrunde »Die Überarbeitung der Entsenderichtlinie: Welche Revision wollen wir?«. Eingeladen hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), auf der Tagesordnung standen Maßnahmen gegen Lohndumping in der EU. Allein die Vertreterin der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sah in Punkto Entsenderichtlinie keinen Reformbedarf.

Auf europäischer Ebene wird die Entsenderichtlinie derzeit heftig diskutiert. Die Kommission brachte im vergangenen Jahr eine Reformidee auf den Weg, die von Gewerkschaften als schwammig und unzureichend kritisiert wurde. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versuchte auf einer Europareise, andere Staaten hinter seinen Vorschlag zur Verschärfung der Richtlinie zu bringen. Eine Einigung gibt es bisher nicht. Aus den osteuropäischen Staaten - vor allem aus Polen - kommt Gegenwind. Ende Oktober soll das Thema auf einem EU-Sozialgipfel diskutiert werden. Für DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sind die Alternativen simpel: Sozialdumping oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

Die sogenannte Entsenderichtlinie von 1996 regelt den Umgang mit Beschäftigten von Firmen, die für einen begrenzten Zeitraum in einem anderen EU-Land arbeiten. Bisher gilt: Die entsandten Arbeitnehmer müssen nach Mindestlohn des Ziellandes bezahlt werden, auch Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten müssen eingehalten werden. Sozialabgaben werden weiterhin im Heimatland gezahlt. Die ohnehin geringen Mindeststandards zum Schutz der ausländischen Arbeitnehmer wurden in EuGH-Urteilen mehrfach als Maximalstandards interpretiert.

Entsendungen, die unter anderem auf dem Bau, in der Pflege, Fleischindustrie oder Landwirtschaft üblich sind, bedeuten in der Praxis meist extreme Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte. Hinzu kommt die enorme Kreativität beim Einsatz illegaler Praktiken: Ewig lange Ketten von Subunternehmern, Löhne die niemals bei den Beschäftigten ankommen, Steuerbetrug, Briefkastenfirmen.

Nach dem Wunsch der Gewerkschaften soll künftig das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten. Das hieße: Der Lohn der entsandten Beschäftigten entspräche den Tarifverträgen in der jeweiligen Branche. In Ländern wie Deutschland würde sich angesichts fragmentierter Tariflandschaften dann die Frage stellen, ob und wie nicht allgemeinverbindliche Tarifverträge als Grundlage für die Entlohnung der entsandten Arbeiter gelten können.

Renate Hornung-Draus sieht in solchen Forderungen vor allem eines: ein riesiges Bürokratiemonster. Die BDA-Vertreterin betont immer wieder: Deutschland sei nicht nur Zielland, es entsende selbst in hohem Umfang Arbeitskräfte in andere EU-Staaten. Mittelständische Firmen, so glaubt sie, würden künftig auf Aufträge im EU-Ausland verzichten, weil etwa die dortige tarifliche Eingruppierung ihrer Mitarbeiter zu kompliziert sei. Für Hornung-Draus liegt das Problem in den illegalen Machenschaften im Kontext von Entsendungen. »Eine Verschärfung der Richtlinie würde diese Probleme nicht adressieren«, so die BDA-Vertreterin. Stattdessen sei eine stärkere Zusammenarbeit mit den Behörden der Herkunftsländer nötig.

Eine solche Zusammenarbeit etwa im Kampf gegen Scheinselbstständigkeit und Briefkastenfirmen sollte durch die 2014 beschlossene Durchsetzungsrichtlinie sichergestellt werden. Von Gewerkschaften und linken EU-Abgeordneten wurde diese jedoch als unzureichend und sogar kontraproduktiv kritisiert. Eine funktionierende Zusammenarbeit, an dieser Stelle zumindest sind sich Gewerkschafter und Arbeitgeber einig, gibt es nicht.

Neben Fragen der Entlohnung sorgen auch andere Vorschläge in Brüssel für Streit. Macron etwa will Entsendung auf 12 Monate begrenzen, im Kommissionsvorschlag ist von 24 Monaten die Rede. Zudem gibt es die Forderung - auch dafür macht sich vor allem Polen stark -, den Transportsektor rauszunehmen und separate Regelungen für Lkw-Fahrer auszuhandeln. Für die Gewerkschaften wäre das ein rechtsfreier Raum mit Ankündigung. Die deutsche Regierung hält sich in dem Konflikt bisher relativ bedeckt. Wahlkampf, so scheint es, möchte hierzulande mit diesem Thema niemand machen.

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