Mach deinen Job und sei darauf stolz!

J. Mauser / Captain Gips

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Komm, erzähl mir nicht, wie reich du bist / Komm, erzähl mir nicht, wie schön du bist / Ist mir alles wirklich scheißegal.« Hier scheint, und das ist sehr erholsam, zumindest nicht der im hiesigen HipHop allgemein üblich gewordene und mit dumpfestem Mackertum, Dicke-Eier-Gehabe und Sexualprotzerei angereicherte Kult um finanziellen Reichtum und die jeweils gelungenste Anpassung ans gesellschaftlich vorgegebene Schönheitsideal betrieben zu werden.

Diese Musik klingt also ganz und gar nicht nach jenem von allem Geist befreiten, gesellschaftskonformen, autoritätsfixierten deutschsprachigen »Rap« und »HipHop«, den man von den armseligen Figuren kennt, die seit einigen Jahren permanent durch die Medien gereicht werden und im Vergleich zu denen - wenigstens gewinnt man schnell diesen Eindruck - einem jeder Vierjährige wie ein Einstein vorkommt.

Klar, denn hier haben wir es mit zwei der großen Ausnahmen zu tun: Captain Gips und Johnny Mauser, beide auch dem gemischtgeschlechtlichen linken HipHop-Kollektiv Neonschwarz zugehörig, haben neue Alben herausgebracht, und beide klingen sehr gut. Allein die von den beiden Künstlern aufgegriffenen Themen zeigen: Hier hat man es mit zweien jener heute selten gewordenen Menschen zu tun, die schon mal ein Buch gelesen haben, das vielleicht nicht das falscheste war, und auch schon öfter als zwei Mal nachgedacht haben. Kritik am gesellschaftlichen Ganzen gehört demzufolge hier zur Grundausstattung, sei es nun die Kritik an der internalisierten Bereitschaft zur Lohnarbeit (»Geh über deine Grenzen, du musst funktionieren / Hör nicht auf dein Herz, lass dich rumkommandieren / Mach dein’ Job, egal wie dumm er ist, und sei darauf stolz / Und achte bitte drauf, dass du niemand enttäuschst«) oder die Kritik am autoritären Charakter des deutschnationalen Kleinbürgers (»Du bist stolz auf ein Land, in dem du zufällig geboren bist / Du hast es zu nichts gebracht, und das macht dich zornig (…) Du bist ein deutscher Mann, der immer grade geht / Und alle deine Kumpels wählen AfD«).

Doch nicht nur Captain Gips, auch sein Hamburger Rapperkollege Johnny Mauser hat sich weiterentwickelt. »Klangen seine überwiegend politischen Texte früher nach Flugblatt, Proseminar und Plenum, schafft er es jetzt immer häufiger, nicht plakativ und belehrend zu klingen«, heißt es in der »Jungle World«. Und tatsächlich gelingt dem Rapper mit seinem Track »Daddy« so etwas wie Rollenprosa von Erdogan- und AfD-Wählern: »I need a daddy, einen, der mal richtig auf den Tisch haut / Der mal sagt, was sich von den ganzen Pussys keiner traut.«

Captain Gips: »Klar zum Kentern« (Audiolith / Broken Silence)

Johnny Mauser: »Mausmission« (Audiolith / Broken Silence)

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal