Die Lady redet, sagt aber nicht viel

Äußerungen Suu Kyis zur Rohingya-Krise in Myanmar sind Menschenrechtlern zu vage

  • Mathias Peer, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Aung San Suu Kyi will nicht länger schweigen. In Myanmars Hauptstadt Naypyidaw tritt sie am Dienstag an ein Rednerpult und will vor ausländischen Diplomaten erklären, wie es zu der Eskalation der Gewalt im Westen ihres Landes kommen konnte. Seit Ende August wurden dort 420 000 Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit zu Flüchtlingen. »Wir verurteilen alle Menschenrechtsverletzungen und ungesetzliche Gewalt«, sagt die 72-jährige Politikerin. Sie verspricht: Die Sicherheitskräfte seien angehalten, einen strikten Verhaltenskodex zu befolgen und Kollateralschäden zu vermeiden.

Die Friedensnobelpreisträgerin, die angesichts der humanitären Notlage in ihrem Land international stark in Kritik geraten ist, versucht bei ihrem Auftritt, für Verständnis zu werben. »Die Menschen erwarten von uns, dass wir alle Probleme Myanmars in kürzester Zeit lösen«, sagt sie. »Aber wir sind noch nicht einmal 18 Monate im Amt. Das ist angesichts der Herausforderungen äußerst kurz.«

Tatsächlich steht ihre Regierung, die nach dem Ende einer jahrzehntelangen Militärdiktatur im März vergangenen Jahres an die Macht kam, an der Grenze zu Bangladesch vor gewaltigen Problemen.

Spannungen zwischen der buddhistischen Mehrheit und einer muslimischen Minderheit gibt es hier seit Jahrzehnten. Die Angehörigen der Volksgruppe Rohingya werden unterdrückt und haben kaum Rechte. Im August verübte eine Rohingya-Rebellengruppe einen Anschlag auf Posten der Sicherheitskräfte. Die Armee reagierte mit einer brutalen Offensive: Die Vertriebenen berichten von der massenhaften Zerstörung von Häusern und Gewalt gegen Zivilisten durch Soldaten. Vertreter der Vereinten Nationen sprechen von ethnischer Säuberung. Auf diese gravierenden Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte geht Suu Kyi in ihrer Rede jedoch nur indirekt ein. »Es gibt Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen«, sagt sie. Sie wolle sich nicht auf eine Seite schlagen, das würde den Konflikt nur verstärken, führt Suu Kyi als Erklärung dafür an, dass sie sich nicht deutlicher äußert.

Die Politikerin steht bei ihrer Ansprache allein auf einer langen Bühne, eingerahmt von jeweils sieben Nationalflaggen links und rechts. Ihr Publikum, das aus mehreren Botschaftern besteht, lädt die in Oxford ausgebildete Führerin in perfektem Englisch ein, sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Einladung beschränkt sie aber ausdrücklich auf den friedlichen Teil der Region.

Dass die Armee in dieser Frage die wichtigste Rolle spielt, lässt Suu Kyi unerwähnt. Unter der Führung von General Min Aung Hlaing läuft seit Wochen eine groß angelegte Militäroperation, die sich angeblich gegen Extremisten richtet. Die Armee kann laut Myanmars Verfassung vollkommen autonom agieren. Suu Kyi hat keine Befehlsgewalt über die Truppen. Sie ist vielmehr auf das Wohlwollen der Generale angewiesen. Denn diese kontrollieren 25 Prozent der Parlamentssitze und können Suu Kyis Pläne für Verfassungsänderungen blockieren.

Dass sich Suu Kyi, Tochter eines Generals, nicht klarer äußerte, stieß bei Aktivisten auf Enttäuschung. »Es war zwar positiv, dass Aung San Suu Kyi Menschenrechtsverstöße verurteilt hat«, teilte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mit. »Aber sie schweigt immer noch über die Rolle der Sicherheitskräfte.« Dabei gebe es überwältigende Beweise, dass diese in ethnische Säuberungen verwickelt seien. Auch Phil Robertson von Human Rights Watch warf Suu Kyi vor, Gräueltaten der Armee zu verschweigen: »Die Soldaten folgen keinem Verhaltenskodex, sie erschießen, wen immer sie wollen.«

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