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Die »Durchfallmasche«

Wie Touristen aus Großbritannien die Hotels auf Mallorca und in ganz Spanien betrügen

  • Patrick Schirmer Sastre, Palma
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Konzept der Touristen war ebenso simpel wie gerissen: Einfach während des Urlaubs auf Mallorca in die Apotheke gehen, ein Durchfallmittel kaufen und den Kassenbon einpacken - und zurück in der Heimat behaupten, man habe sich beim Essen im Hotel eine Lebensmittelvergiftung eingefangen. Schon standen die Chancen nicht schlecht, den gesamten Urlaub erstattet zu bekommen. Mit der Masche sollen britische Touristen seit 2013 auf der Baleareninsel mindestens 50 Millionen Euro ergaunert haben. Spanienweit waren es vermutlich um 60 Millionen Euro.

Dass der Betrug erst Anfang dieses Jahres bemerkt wurde, liegt an der drastisch gekletterten Zahl falscher Beschwerden. »Im vergangenen Jahr sind die Reklamationen um 700 Prozent gestiegen«, teilte Mallorcas Hoteliersverband FEHM mit. Der Betrug habe vor allem in All-Inclusive-Hotels oder Unterkünften mit Halbpension stattgefunden - die sind für eine Lücke im britischen Verbraucherschutzgesetz besonders anfällig. So dürfen Touristen die Reiseveranstalter bis drei Jahre nach dem Urlaub für Erkrankungen haftbar machen, wenn die vom Hotel verursacht wurden. Die Reiseveranstalter geben die Kosten des Schadenersatzes an die Hoteliers weiter. Der FEHM erklärte: »Wir wollen konkrete Lösungen, um die Zahl der Reklamationen zu reduzieren, die eindeutig betrügerischer Natur sind und die aufgrund der Rahmenbedingungen des britischen Verbraucherschutzgesetzes entstanden sind.«

Fragt man Urlauber im besonders bei Briten beliebten Küstenort Magaluf, wollen sie nichts von der Masche gewusst haben. »Nein, nein. Nie gehört«, stammelt eine junge Mutter im pinken Trägertop und mit Mallorca-Strohhut, bevor sie ihre Tochter hastig auf die andere Straßenseite zieht. Ein älteres britisches Ehepaar, das über die berühmte Partymeile Punta Ballena spaziert, meint: »Sorry, da müssen Sie andere fragen.«

Auf die Idee zum Betrug sind die Urlauber nicht unbedingt selbst gekommen. Anfang September wurden sechs Verdächtige bei Razzien festgenommen, darunter eine bekannte britische Unternehmerin aus Mallorcas Nachtleben. Sie sollen Strohmänner vor Hotels platziert haben, die die Touristen zum Betrug anstifteten. Das zurückerstattete Geld wurde zwischen den Drahtziehern und den Touristen aufgeteilt. Mehrere Anwaltskanzleien sollen Reiseveranstalter mit Klagen geradezu überflutet haben.

In einer Seitenstraße der Punta Ballena arbeitet Alfonso in einer Apotheke. »Wir haben am Anfang des Sommers von dieser Masche gehört. Seitdem geben wir zwar die Medizin raus, aber nicht mehr die Kassenzettel«, sagt er. »Wir werden keinen Betrug unterstützen.« Die Taktik der Betrüger habe diesen Sommer dennoch recht gut funktioniert. »Wenn die Touristen auf dem Kassenzettel bestehen, dann haben wir natürlich keine Wahl.« Solche Offenheit ist nicht selbstverständlich. In einer anderen Apotheke sagt eine Verkäuferin, man habe strikte Anweisungen des Chefs, sich nicht zu dem Thema zu äußern.

Mittlerweile zeigt der Druck der Hoteliers erste Erfolge. Die britische Regierung hat angekündigt, das Verbraucherschutzgesetz zu überarbeiten. Auch die Reiseveranstalter wollen nicht länger mitmachen. So Thomas Cook: Der Konzern bringt jährlich Hunderttausende Briten auf die Insel. »Unsere Kunden sollen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie im Urlaub wirklich krank werden«, zitierten Medien Unternehmenschef Peter Fankhauser. »Wir wollen aber auch klarmachen, dass wir keine Entschädigungen zahlen, wenn Urlauber nicht direkt im Hotel über ihre Krankheit informieren.« Der Veranstalter ist einer der ersten, der einen Prozess gegen einen Urlauber wegen falscher Schadenersatzforderungen gewonnen hat. Das hat Wirkung gezeigt. Laut Presseberichten soll eine Kanzlei in England eine deftige Sammelklage von 3500 Urlaubern zurückgezogen haben. dpa/nd

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