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Hoffnungszeichen im eingefrorenen Kaukasus-Konflikt

Armeniens Außenminister deutet Entgegenkommen im Territorialkonflikt mit dem Nachbarn Aserbaidshan an

  • Axel Eichholz, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.

Jerewan schließt zum ersten Mal die Rückgabe eines Teils der 1994 besetzten aserbaidshanischen Gebiete nicht aus. Das gab der armenische Außenminister Edward Nalbandjan diese Woche auf dem Weltforum »Armenien - Diaspora« in Jerewan bekannt. Einzelheiten wollte der Minister nicht verraten. Dies könne sonst beginnende Gespräche mit Baku zum Scheitern bringen. Es handle sich, so Nalbandjan, dabei nicht um für Berg- Karabach und eine Friedensregelung strategisch wichtige Ortschaften.

Der Konflikt brach bereits 1988 auf, als beide Länder noch Teilrepubliken der Sowjetunion waren. Im Jahr 1991 ordnete Baku die Auflösung der armenischen Autonomie in Berg-Karabach an und versuchte, militärisch durchzugreifen. Die armenische Karabach-Führung hatte jedoch eine kampffähige Armee. Der heutige Präsident Armeniens, Sersch Sargsjan,stammt aus Berg-Karabach und war damals Chef des Selbstverteidigungskomitees.

Der Versuch, die Enklave zu vereinnahmen, hatte verheerende Folgen für Aserbaidshan. Der sogenannte Latschin-Korridor verband wie eine Nabelschnur die selbst ernannte Republik Berg-Karabach mit dem armenischen Mutterland. Insgesamt sieben aserbaidshanische Verwaltungsbezirke (graue Fläche um Berg-Karabach) wurden von Armenien besetzt und bilden einen armenischen Sicherheitsgürtel um die Exklave. In Aserbaidshan selbst brachen damals Machtkämpfe aus, so dass an eine militärische Revanche nicht zu denken war.

Anders als Armenien ist Aserbaidshan mit Gas- und Ölreichtum gesegnet. Auch verbindet es als überwiegend muslimisches Land eine traditionelle Nähe mit der Türkei. Im April 2016 erfolgte eine Attacke aserbaidshanischer Streitkräfte gegen Berg-Karabach. Seit diesem Vier-Tage-Krieg redet der aserbaidshanische Präsident Ilcham Alijew nur noch von einer Position der Stärke mit dem verfeindeten Nachbarn.

Ob Nalbandjans Ankündigung eine direkte Folge des Vier-Tages-Krieges ist, wird allerdings angezweifelt. Sie sei als Versuchsballon anzusehen, sagte der russische Kaukasusexperte Surab Kanantschew der Internet-Zeitung gazeta.ru. Jerewan möchte offenbar wissen, was Aserbaidshan im Gegenzug anbieten würde; vorausgesetzt die Erklärung Nalbandjans sei auch mit Sargsjan abgestimmt.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow soll bereits unmittelbar nach dem Vier-Tage-Krieg versucht haben, Sargsjan zur Rückgabe von fünf der sieben besetzten aserbaidshanischen Bezirke zu überreden. Damals fanden in Jerewan Demons-trationen gegen den Lawrow-Plan statt. Moskau versucht bereits seit Jahren, im Karabach-Konflikt zu vermitteln, auch vor dem Hintergrund des wieder verbesserten Verhältnisses zur Türkei. Auch Ankara, das sich mit der EU vollends zerstritten hat, würde Jerewans Entgegenkommen begrüßen. Der Vizedirektor des russischen GUS-Instituts Wladimir Jewsejew glaubt allerdings, dass das Angebot eines Zugeständnisses nicht von Jerewan, sondern von Berg-Karabach ausgehen sollte.

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