Fernfahrer blockieren Frankreich
Gewerkschaften und Parteien kämpfen gegen Macrons Arbeitsmarktreform
Seit dem Wochenende ist die Arbeitsrechtsreform in Kraft, die Proteste dagegen reißen nicht ab. Medienwirksam hatte Präsident Emmanuel Macron am Freitagabend die Regierungsdekrete vor laufenden Fernsehkameras unterzeichnet, die Gewerkschaft laufen Sturm. Den Auftakt machte am 12. September die CGT, zwei Transportarbeitergewerkschaften folgten mit mehreren Aktionen vergangene Woche. Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise organisierte am Wochenende einen Marsch und die CGT setzte ihre Aktionen am Montag mit einem unbefristeten Aktionstag fort, der von Lkw-Fernfahrern aufgegriffen wurde. Diese blockierten am Morgen Straßen an der belgischen Grenze. Später griffen die Aktionen auf Dünkirchen, Le Havre, Rouen, Caen, Nantes, La Rochelle, Bordeaux, Lyon und Marseille über. Ziel war es, mindestens 50 der landesweit 190 Treibstoffgroßlager zu blockieren und so die Versorgung der 11 000 Tankstellen des Landes zu beeinträchtigen.
Nach dem Marsch von La France insoumise am Samstag in Paris, an dem nach Angaben der Organisatoren 150 000 Menschen teilnahmen, während die Polizei nur 30 000 und Journalisten sogar noch weniger gezählt hatten, gab es am Wochenende in den Medien und im Internet eine heftige Kritik an einer Passage in der Rede, die Jean-Luc Mélenchon zum Abschluss des Marsches auf dem Pariser Platz der Republik gehalten hatte. Auf die Bemerkung von Macron in einem CNN-Interview anspielend, Demokratie sei nicht identisch mit der Straße, hatte Mélenchon die dadurch zum Ausdruck kommende Missachtung der Massen verurteilt: »Es war die Straße, die die Könige gestürzt hat, es war die Straße, die die Nazis zur Strecke gebracht hat, es war die Straße, die die Reformpläne von Juppé hinweggefegt hat.«
Quer durch das Parteienspektrum hindurch reagierten Politiker empört. Gilles Le Gendre, stellvertretender Vorsitzende von Macrons Bewegung En marche, bezichtigte Mélenchon, sich auf das Niveau des Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen zu begeben. Der sozialistische Ex-Premier Manuel Valls wertete Mélenchons Worte als »abenteuerlichen historischen Vergleich« und Regierungssprecher Christophe Castaner sprach von einem »politischen Fehler und einer groben moralischen Fehlleistung«. Der Historiker Jean Garrigue kritisiert Mélenchons Fehleinschätzung: »Es waren die an den Stränden der Normandie gelandeten Soldaten der Alliierten und im Osten die Soldaten der Roten Armee, die die Nazis hinweggefegt haben.« Jean-Claude Mailly, Generalsekretär der Gewerkschaft Forces ouvrière, ging noch weiter und erinnerte daran, dass es »in Deutschland nicht zuletzt die Straße war, die den Nazis zur Macht verholfen hat«.
Angesichts der Wogen, die seine provokativen oder bestenfalls unüberlegten Worte ausgelöst haben, versuchte Jean-Luc Mélenchon zurückzurudern - ohne Fehler einzuräumen oder sich gar zu entschuldigen. Auf seiner Internetseite erklärte er am Wochenende: »Ich habe niemals die gegenwärtige Regierung mit den Nazis verglichen, das versteht sich von selbst.«
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