Was bleibt?

Tropenlandwirt Erhard Bergner berichtet

  • Rosi Blaschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Man liest dieses Buch mit wachsendem Interesse und Erkenntnisgewinn. Aber auch mit sehr schmerzlichen Gefühlen. Der Autor Erhard Bergner - ein DDR-Tropenlandwirt - hat fast zwanzig Jahre lang Hilfe zur Selbsthilfe im besten Sinne in der Landwirtschaft arabischer und afrikanischer Länder geleistet. Er sah seine Aufgabe darin, aufbauend auf den Erfahrungen der heimischen Bauern und Viehzüchter sowie bedenkend die natürlichen klimatischen und bodenkundlichen Gegebenheiten und die finanziellen Möglichkeiten vor Ort, Menschen zur Selbstversorgung mit Nahrungsgütern zu befähigen. Was bleibt?

Bergner war in Irak, in einem Land, das schon in den 1960er Jahren unter den Spannungen zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden litt. Er lernte moderne Farmen wie auch traditionelle Familienbetriebe kennen. Ein Ergebnis seiner Arbeit war ein für viele Entwicklungsländer beispielgebender Schlachthof in Bagdad. Mossul empfand Bergner als eine saubere, angenehme Stadt. Der Berater und seine Begleitet machten auch einen Abstecher nach Ninive, der weltberühmten Ruinenstadt, deren Schätze die IS-Schergen zerstört und geraubt haben. Wie denkt Bergner darüber? Das verrät er leider nicht.

Von 1971 bis 1974 arbeitete der DDR-Tropenlandwirt in Südjemen. Veterinärbetreuung, Impfungen und Zählungen der Herden als Grundlage für Vorschläge zur weiteren Verbesserung in der Fütterung und Haltung der Tiere sowie der Versorgungslage der Menschen gehörten zu den vielen kleinen Schritte, die zu kleinen und manchmal auch größeren Erfolgen führten. Bergner studierte Anbaumöglichkeiten in den Wadis (tiefen, weitläufigen Tälern), die einzigartige Natur der Insel Sokrota und erlebte schon damals Grenzstreitigkeiten mit Saudi-Arabien. Heute ist Jemen eines der ärmsten Länder der Welt, in dem Hunger, Cholera, Bürgerkrieg und die willkürlichen Bombardierungen saudi-arabischer Militärs Hunderttausende dahinraffen und die Infrastruktur zerstören.

Natürlich nutzte Bergner die Zeit im Ausland auch, die Eigenartigkeit der Menschen und die Großartigkeit der Landschaften zu erleben. Er bringt mit seinen Tagebuchnotizen dem Leser die Exotik eines Teiles der Welt näher, die nicht jeder aufsuchen und selbst bestaunen kann. Es ist ein Buch über Land, Landschaft, Landwirtschaft, kein Reisebuch und auch kein Agrarfachbuch. Das Wesentliche jedoch sind die Ergebnisse eines selbstlosen Einsatzes, die dem kleinen Land DDR Achtung einbrachten. Und die vielfach andernorts eben nicht vergessen sind. Das bleibt.

Der Landwirt hat selbst Federn lassen müssen. Die Wendewirren 1989/90 erlebte er aus der Ferne, als Landwirtschaftsattaché der DDR in den USA. Nach der deutschen Vereinigung wurde er als einst »staatstragender« und »privilegierter« Bürger in den unfreiwilligen vorzeitigen Ruhestand geschickt. Welch Verschwendung von Wissen und Erfahrung!

Erhard Bergner: Der Tropenlandwirt. Als DDR-Experte unterwegs auf drei Kontinenten. Verlag am Park/Edition Ost, 550 S., br., 19,99 €.

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