Es geht weiter bergauf

Ökonomen gehen von anhaltendem Aufschwung aus und setzen Prognose nach oben

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Ob der momentane Aufschwung noch bis ins kommende Jahrzehnt hinein weitergeht oder übernächstes Jahr bereits ins Stocken gerät, kann Gustav Horn nicht abschätzen. Andere Experten könnten das auch nicht, weil zu viele Unsicherheiten genaue Prognosen unmöglich machten, meint der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Doch für die Zeit, die man »seriös« voraus schauen könne, könne er sagen, dass der Aufschwung weitergehe.

So gut sogar, dass Horn und seine IMK-Forscherkollegen ihre am Dienstag veröffentlichte Prognose für dieses und kommendes Jahr kräftig anhoben - und zwar um 0,5 Prozentpunkte für 2017 und 0,3 für 2018 gegenüber ihrer Vorhersage vom Juli. Damit sind die gewerkschaftsnahen Ökonomen momentan nicht alleine in ihrer Zunft. Bereits Ende September hoben fünf führende Institute den Ausblick in ihrer Gemeinschaftsdiagnose für 2017 auf 1,9 und für 2018 auf 2,0 Prozent Wachstum an. Ebenso das Bundeswirtschaftsministerium, das für 2017 von einem Aufschwung von 2,0 und nächstes Jahr von 1,9 Prozent ausgeht.

Das Risiko einer Überhitzung hält das IMK trotzdem für sehr gering. »Etwas altertümlich formuliert könnte man sagen: Dieser etwas andere Aufschwung hat Maß und Mitte, und das gibt ihm Ausdauer«, sagt Horn. Zudem reiche die Dauer des derzeitigen Aufschwungs noch nicht an die Hochphasen der 1990er und 2000er Jahre heran. Denn der Aufwärtstrend, der 2009 nach der Finanzkrise begann, erfuhr 2012 auf Grund der Eurokrise einen kurzen Dämpfer. Zwei Quartale lang schrumpfte in dieser »Mini-Rezession« die Wirtschaft.

Anders als bei anderen Aufschwüngen ist der aktuelle Horn zufolge nicht von den Exporten getrieben. Stattdessen seien die Löhne ein »wichtiger Faktor«. »Im aktuellen Aufschwung sind diese im Vergleich zu den vorhergehenden Aufschwungphasen deutlich stärker gestiegen«, heißt es in der IMK-Studie. Gleichzeitig nahm auch die Beschäftigung massiv zu. Mit rund 44,3 Millionen Erwerbstätigen sind hierzulande so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik beschäftigt. Den Forschern aus Düsseldorf zufolge bedeutet eine hohe Zunahme des Arbeitsaufkommens in Kombination mit höheren Löhnen, dass die Arbeitseinkommen merklich gestiegen sind. »Dies wiederum bildet eine wesentliche Grundlage für die kräftige und anhaltende Konsumdynamik«, so das IMK.

Auch wenn die Exporte ins Ausland auf Grund der guten Weltkonjunktur und der Erholung im Euroraum wieder anziehen, wird sich an dieser Lage wenig ändern. So schätzt das IMK, dass die Arbeitnehmerentgelte in diesem Jahr um 4,1 und im kommenden um 4,0 Prozent zulegen. Gleichzeitig wird der Außenhandelsbeitrag zum Aufschwung aber leicht negativ sein, weil die Importe stärker zulegen werden als die Exporte.

Was den Ökonomen Sorgen macht, ist der Mangel an privaten Investitionen. Über den gesamten Zyklus hinweg hat die Wirtschaft bislang deutlich weniger für neue Maschinen ausgegeben als in vorherigen Boomphasen. Jedoch fällt der Rückstand deutlich niedriger aus, wenn man Ausgaben in Forschung und Entwicklung mit in die Rechnung einbezieht. Für Horn ist dies ein Indiz, dass die Unternehmen derzeit womöglich eher langfristig denken und in die Digitalisierung investieren wollen.

Doch entwarnen will er deswegen nicht. »Offenkundig ist die tiefe Verunsicherung durch die internationale Finanzkrise und die Eurokrise immer noch nicht überwunden«, begründet das IMK den Umstand, dass viele Unternehmen weniger investieren, als sie bei der hohen Auslastung müssten.

Ein weiteres Risiko sehen die Forscher in den Wahlkampfversprechen von Union und FDP. Diese hatten den Wählern massive Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Zwar rechnet das IMK für 2018 mit einem Staatsüberschuss von knapp 36 Milliarden Euro. Doch könnte dieser schnell wieder futsch sein, wenn die Wirtschaft mal nicht mehr so rund läuft. Steuersenkungen blieben dann aber bestehen und würden ein Loch ins Budget reißen. Das IMK rät deswegen, die derzeitigen Überschüsse lieber in eine öffentliche Investitionsoffensive zu stecken. Diese könne für zusätzliche Nachfrage und Sicherheit sorgen und so die Unternehmen dazu bringen, wieder mehr zu investieren.

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