Denkpause für Jamaika

Verhandler werden sich bei Klima, Asyl und Finanzen nicht einig und vertagen Sondierung

  • Florian Haenes
  • Lesedauer: 3 Min.

Als die Verhandler von Union, FDP und Grünen am Dienstag die fachlichen Sondierungsgespräche begannen, muss das Scheitern der schwarz-grünen Sondierung vor vier Jahren wie ein Schatten über dem Haus der parlamentarischen Gesellschaft gelegen haben. Bis heute schieben sich beide Parteien dafür die Schuld zu. Und diesmal wird es noch komplizierter. Auch die FDP soll mit ins Boot.

Es verwundert deshalb nicht, dass die Sondierungsgespräche vorübergehend in einer Sackgasse geendet sind. Keine Einigung gab es bei Klima und Flüchtlingen. Die Verhandlungen sind vertagt. Man verpasst sich eine Denkpause fürs Wochenende, während sich die Parteichefs allein treffen, um Pflöcke einzuschlagen, an die sich ihre Verhandler in der kommenden Woche werden halten müssen.

Am Donnerstagnachmittag hatte man sich noch auf ein Papier zur Europapolitik verständigt. Es enthielt jedoch bloß ein Bekenntnis »für Europa«. Die strittigen Themen Türkei, Eurozonen-Budget und Bankenunion wurden ausgeklammert. Dann stritt man sich über den Klimaschutz, besonders die Vereinbarungen zur Reduktion von Treibhausgasen. Die Grünen trauten der FDP aber nicht über den Weg. »Es war am Ende des Tages nicht mehr klar, ob man sich die Ziele nach dem Motto ›schaun wir mal‹ vornimmt oder ob sie verbindlich gelten«, klagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen, Marco Buschmann, insistierte tags drauf, die FDP stehe zu den Klimaschutzzielen von Paris, wer anderes verbreite, erzähle Unsinn. Doch er sagte eben auch, die FDP sei der Meinung, die Klimaziele der großen Koalition dürften »nicht für sakrosankt« erklärt werden. Buschmann kritisierte die Grünen, sie führten die Verhandlung nach dem Prinzip »alles oder nichts«.

Nachdem sich die Verhandler am Donnerstagabend auch nicht auf Positionen in der Flüchtlingspolitik geeinigt hatten, versuchte man gar nicht erst, den Themenblock Bildung, Forschung und Digitales anzupacken.

Die Verhandler geben sich alle Mühe, bei Parteibasis und Wählerschaft den Eindruck zu erwecken, es sich mit Kompromissen nicht einfach zu machen. Es ist also Kalkül mit im Spiel, wenn nun die Vertagung der Sondierung verkündet wird. Auch für die Grünen ist das Schreckensszenario eine Kollision mit der Fünf-Prozent-Hürde nach vier Jahren Jamaika. Konflikte werden deshalb bisweilen wohl überzeichnet.

Aus der Perspektive der CSU erscheint der Klimastreit von FDP und Grünen weniger dramatisch. Generalsekretär Andreas Scheuer sieht die Verhandlung tatsächlich »kurz vor dem Ziel«. Zum Schluss sei es bloß »an einigen Begriffen« gescheitert.

Es passt ins Bild, dass die Grünen zugleich Kompromissbereitschaft bekunden. Zur Forderung, Verbrennungsmotoren bis 2030 zu verbieten, sagte Parteichef Cem Özdemir, ihm sei natürlich klar, dass die Grünen mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen »das Ziel nicht allein beschreiben« könnten.

Wahrscheinlich werden sich in der kommenden Wochen die Gemüter etwas abkühlen. Jedem Koalitionspartner wird man ein Leuchtturmprojekt zugestehen. Das ist die Empfehlung der schleswig-holsteinischen Jamaika-Koalitionäre Robert Habeck (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP). Wenn in den nächsten Tagen auch Sozialpolitik, Handelspolitik und damit das Freihandelsabkommen TTIP diskutiert werden, wird es zu vorsichtigen Kompromissen kommen müssen. Denn an einem zweifelt niemand. FDP und Grüne wollen regieren.

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