»Geld macht immer glücklich«

Forscher konstatieren Angleichung der Glücksverhältnisse in Ost und West

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Eines scheint sicher: Die Menschen in Schleswig-Holstein sind glücklicher als die irgendwo anders in Deutschland. Und: Früh aufstehen macht überhaupt nicht glücklich, ganz im Gegenteil. Das legt jedenfalls ein Blick in den Glücksatlas der Deutschen Post nahe, den diese alljährlich in Auftrag gibt, 2017 nun schon das siebte Mal. Am Dienstag wurde der öffentlich gemacht, und siehe da: Die Einwohner im Norden Deutschlands sind anhaltend die glücklichste Gemeinschaft im Vergleich der Regionen, die der Atlas zugrunde legt. Was noch eine dritte These nahelegt: Glück ist ansteckend. Denn im europäischen Vergleich sind die Dänen seit Jahren das glücklichste Völkchen, und die Nachbarschaft der Schleswig-Holsteiner ist hier nur allzu augenfällig. Deutschland steht im europäischen Vergleich übrigens auf Platz neun.

Am wenigstens glücklich in Deutschland sind die Einwohner Sachsen-Anhalts. Sie stehen am Ende der Skala von eins bis zehn Bewertungspunkten - mit einem Wert von 6,83 hocken sie traurig auf Platz 19, dem letzten aller verfügbaren Plätze. Jahrelang rühmte sich das Bundesland in einer landesweiten Imagekampagne, gerade hier wohnten die Frühaufsteher Deutschlands. Was die Frage nahelegt, ob das Frühaufstehen ein Grund sein könnte, dass die Sachsen-Anhalter nun schon seit Jahren auf den traurigen hinteren Plätzen des Glücksatlas rangieren. Oder ob die Sachsen-Anhalter vielleicht gar nicht früher aufstehen als die Menschen anderswo in Deutschland, aber ihrer Landesregierung mittels eines ausgeklügelten Frühwarnsystems diesen Eindruck vermitteln konnten.

Alles ist mit der Laune am frühen Morgen sicher nicht erklärt, denn einige andere Ergebnisse der Studie, die sich auf Befragungen aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) sowie des Instituts für Demoskopie in Allensbach stützt, legen strukturelle Gründe als Begründung für Wohlbefindensunterschiede nahe. Die Forscher zogen Umfragen zu verschiedenen Bereichen wie »Wohnen und Freizeit«, »Arbeit«, »Einkommen« oder »Gesundheit« zu Rate. Im Ergebnis zeigt sich eine gleichbleibend hohe Zufriedenheit der Bundesbürger von durchschnittlich 7,07 Punkten auf der Zehnerskala, was in etwa ihrem Glücksgefühl des Vorjahres entspricht. Freilich sind die Menschen nicht glücklicher, als die Verhältnisse es erlauben. So finden sich die Ostländer inklusive Berlin allesamt hinter den Regionen im Westen, wenngleich die Unterschiede nicht groß sind und die Wissenschaftler Wert darauf legen, dass sie eine Angleichung der Glücksverhältnisse in Ost und West gemessen haben. Beide Landesteile kamen sich dabei entgegen - die Ostdeutschen fühlen sich ein klein wenig glücklicher als 2016, während die Westdeutschen ihnen mit einem Hauch Missstimmung entgegenkommen. Das ostdeutsche Glücksgefühl landet, um 0,01 Punkte aufpoliert, bei 6,89, womit sich der Abstand zum Westglück auf 0,22 Punkte verringert. Nach Schleswig Holstein folgen auf den Plätzen zwei und drei Baden und Hamburg. Am anderen Ende der Skala hat sich Mecklenburg-Vorpommern mit einem gewaltigen Glückssprung vom letzten auf den 17., also drittletzten Platz katapultiert - mit einem Anstieg von 6,77 auf 6,89 Befindlichkeitspunkte.

Gemeinschaft scheint als Glücksbringer eine besondere Rolle zu spielen, Familie und Wohnen werden wie auch eine grüne Umgebung als dem eigenen Glück besonders förderlich empfunden. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, der die Studie am Dienstag in München vorstellte, begründet den positiven Trend im Lebensgefühl der Menschen mit sinkender Arbeitslosigkeit und Konjunktur. Es gebe keine Krise, sondern wachsenden Wohlstand. »Und die Leute empfinden das auch so. Geld macht immer glücklich«, zitierte ihn die Agentur dpa.

Doch Geld ist nicht alles, wie man weiß. Wäre es anders, dürften viele Befragte kaum glücklich sein. Auch die Forscher zeigen das an einem Punkt: Menschen, die sich sozial oder ökologisch engagieren, sind zufriedener als andere. 73 Prozent der auf diese Art Engagierten gaben an, dass dieses Engagement ihr Leben bereichert. Doch seltsam: Nur erstaunlich wenige ziehen die entsprechenden Schlüsse, etwas für ihr Glück zu tun. Denn obwohl 68 Prozent der Befragten angaben, dass persönliches Engagement des Einzelnen wichtig oder sehr wichtig sei, engagieren sich lediglich 23 Prozent selbst. Also ein knappes Viertel. So verzichten die Menschen auf eine Menge Glück, was sich in mangelnder Bereitschaft fortsetzt, mehr Geld auszugeben für nachhaltig produzierte Produkte und Dienstleistungen. Lediglich jeder Vierte ist dazu bereit, für ein Fahrzeug mit Elektroantrieb liegt die Mehrpreisakzeptanz gar nur bei sieben Prozent. Dies ermittelte das Marktforschungsinstitut Kantar Emnid für einen Sonderteil der Studie, als es rund 1001 Bürger fragte, wie sich ein nachhaltiger Lebensstil auf die persönliche Lebenszufriedenheit auswirkt. Geld mag also durchaus glücklich machen, wie Raffelhüschen meint. Aber auch die richtige Berufswahl. Und »Glückes Schmied« zählt nicht dazu.

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