Wasserstraße mit Schlaglöchern

Flussschützer und Binnenschiffer sind auch nach dem »Gesamtkonzept Elbe« uneins über die Zukunft des Flusses

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Frühjahr 2016 strömten Schaulustige in Dresden zu einem seltenen Schauspiel. An der Albertbrücke hatte sich ein mit Salz beladenes Güterschiff quer gelegt. Es war ein nahezu einmaliger Unfall auf der Wasserstraße. Beinahe schon ungewöhnlich war indes auch ein anderer Umstand: dass auf der Elbe überhaupt einmal ein Frachtschiff zu sehen war.

Einst war der Fluss eine stark befahrene Wasserstraße. Fast zehn Millionen Tonnen Güter wurden in den letzten Jahren der DDR auf der Elbe befördert. Bis zur Jahrtausendwende ging das Frachtaufkommen auf 1,8 Millionen Tonnen zurück - und brach seither regelrecht ein: Zuletzt waren es nur noch 0,3 bis 0,4 Millionen Tonnen, sagt Iris Brunar vom BUND.

Flussschützer wie Brunar stört das wenig. Sie schätzen die Elbe nicht als Transportweg, sondern als ökologischen Schatz. Weil sie zwischen einer Staustufe in Ústí nad Labem und einem Wehr in Geesthacht bei Hamburg auf 600 Kilometern unverbaut ist, gilt sie als letzter frei fließender Strom in Mitteleuropa, gesäumt von Auwäldern und Sandstränden. Auch viele Touristen wissen das zu schätzen: Der Radweg entlang der Elbe ist der beliebteste in Europa.

Binnenschiffer und Wasserbauer indes sind unzufrieden mit dem Zustand des Flusses. Er führt oft zu wenig Wasser, um beladene Frachtschiffe zu tragen. Vor allem sieben »Engstellen« in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen bereiteten ihm Sorge, sagt Heiko Loroff, der Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO), beim ersten der diesjährigen Dresdner Umweltgespräche. Die Engstellen behinderten die Passage in Richtung Hamburg und führten dazu, dass »wir die Schifffahrt viel früher als eigentlich nötig einstellen müssen«.

In den zurückliegenden Jahren war eine Beseitigung der »Schlaglöcher« nicht durchsetzbar. Zwar hatte es in den 90er Jahren Baumaßnahmen an der Elbe gegeben, um die Schiffbarkeit zu verbessern. In den Unterhalt von Fahrrinne und Ufern sowie den Ausbau der Häfen seien 600 Millionen Euro investiert worden, sagt Brunar. »Das ist viel Geld für so wenig Transport.« Nach dem Hochwasser 2002 rückte indes der Flutschutz in den Vordergrund; in Sachen Ausbau wurde ein Moratorium verhängt.

Danach habe man jahrelang nichts unternehmen dürfen, sagt Klaus Kautz vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Dresden; später wurde lediglich der Status quo erhalten. An manchen Stellen, klagt der Wasserbauer, »verwildert« die Elbe regelrecht.

Seit Sommer schöpfen Kautz und Loroff Hoffnung. Die Länder und der Bundestag stimmten einem »Gesamtkonzept Elbe« zu, das zuvor in langwierigen Verhandlungen von den unterschiedlichen Interessengruppen in Sachen Elbe ausgehandelt worden war. Ein Ergebnis: Die Elbe ist als eine Wasserstraße anerkannt »und wird das auch bleiben«, sagt Stefan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Auch der Ausbaustopp sei beendet, so SBO-Geschäftsführer Loroff, der mit am Verhandlungstisch saß. Die sieben Engstellen auf dem Weg nach Hamburg könnten und müssten jetzt beseitigt werden.

Allerdings: Schnell wird das nicht gehen. Man rede über »Jahrzehnte«, sagt Kautz - nicht nur, weil in seiner Behörde für notwendige Vorarbeiten bisher nur eine einzige Stelle zur Verfügung steht. Selbst wenn mehr Personal und Geld da seien, gebe es viele offene Fragen, sagt Brunar. Das Konzept sehe einerseits vor, eine nahezu ganzjährige Tiefe der Fahrrinne von 1,40 Metern zu garantieren - 20 Zentimeter weniger, als es jahrelang offizielles Ziel war. Zugleich soll die Erosion der Flusssohle gestoppt werden, die bewirkt, dass sich der Fluss eingräbt und Auwälder austrocknen. »Wie beides zusammen gehen soll«, so Brunar, »ist mir absolut rätselhaft.«

Ohnehin solle man sich nicht allzu große Hoffnungen machen, ergänzt Kühn. Die Gütermenge, die per Schiff befördert wird, stagniert in Deutschland seit Jahren. 87 Prozent davon werden auf dem Rhein verschifft. An anderen, auch gut ausgebauten Flüssen und Kanälen herrscht indes Ebbe. Daran seien weder Verbote noch Umweltschützer schuld, sagt Kühn. Das Schiff ist langsam - und damit für heutige Anforderungen oft nicht mehr zeitgemäß. »Die Transportbranche«, sagt Kühn, »hat sich schlicht und einfach andere Wege gesucht.«

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