Amri-Ermittler rügt Generalstaatsanwaltschaft

Sonderberichterstatter Bruno Jost trat als Zeuge im Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf

  • Lesedauer: 2 Min.

Bei der Überwachung des Terroristen Anis Amri im Sommer 2016 wusste bei der Berliner Polizei nach Einschätzung von Sonderermittler Bruno Jost die rechte Hand nicht, was die linke macht. Observation und Telefonüberwachung seien nicht abgestimmt gewesen, sagte Jost am Freitag im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Zudem seien die Observierer nie samstags oder sonntags unterwegs gewesen. Amri habe sie auch abgeschüttelt.

Der islamistische Attentäter war am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Laster auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast. Zwölf Menschen starben. Amri war der Polizei lange zuvor als Drogenhändler und potenzieller Islamist bekannt und auch mehrfach festgenommen worden. Durch eine Reihe von Behördenpannen in mehreren Bundesländern kam es nicht dazu, Amri in U-Haft zu bringen oder auszuweisen.

Der frühere Bundesanwalt Jost war vom Senat eingesetzt worden und hatte seinen Abschlussbericht im Oktober öffentlich vorgestellt. Auch damals hatte er harsche Kritik an der Polizei geübt und mehrere Vorfälle aufgezählt, die seiner Ansicht nach zu einer Festnahme Amris hätten führen können.

Am Freitag war Jost als Zeuge im Ausschuss. Aus der Telefonüberwachung Amris in Berlin ergaben sich laut Jost immer mehr Hinweise auf gewerbsmäßigen Drogenhandel. Doch die bis Mitte Oktober 2016 mögliche Observierung - zunächst wegen eines anderen Verdachts - habe die Polizei schon am 15. Juni eingestellt. »Warum, ist mir nicht klar geworden«, so Jost. Auch wer es anordnete, sei offen geblieben.

Es wäre nach Einschätzung von Jost möglich gewesen, den Verdacht des gewerbsmäßigen Drogenhandels zu untermauern. »Das hätte zu einer Festnahme führen können.« Die Generalstaatsanwaltschaft trage eine Mitverantwortung. Sie sei zwar erst später über die eingestellte Observierung informiert worden, habe aber in dem Verfahren nicht bei der Polizei nachgefragt. »Ein wacheres Auge wäre angebracht gewesen.« dpa/nd

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