Hallo und auf Wiedersehen

Ein Besucher aus dem All verblüfft Astronomen

  • Lesedauer: 3 Min.

Honolulu. Ein unerwarteter Besucher aus den Tiefen des Alls begeistert Weltraumforscher: Zum ersten Mal haben Astronomen den Durchflug eines Asteroiden aus einem anderen Sonnensystem beobachtet. Der 400 Meter lange Brocken war Millionen Jahre durchs Weltall zu uns unterwegs und verblüfft die Wissenschaftler mit seiner ungewöhnlichen Form: Er ist rund zehn Mal so lang wie breit - anders als alle Asteroiden aus unserem eigenen Sonnensystem, die bislang beobachtet worden sind. Ein Team um Karen Meech von der Universität von Hawaii in Honululu beschreibt den fremdartigen Besucher im britischen Fachblatt »Nature«.

»Dieses Ding ist sehr merkwürdig«, betonte Meech in einer Mitteilung ihrer Hochschule. Der Brocken war am 19. Oktober mit dem Pan-Starrs1-Teleskop auf Hawaii entdeckt worden. Zunächst sah es so aus, als hätte das Teleskop einen gewöhnlichen Asteroiden unseres Sonnensystems aufgespürt. Aus der Flugbahn wurde jedoch schnell klar, dass er von sehr viel weiter her kommen musste. Die Internationale Astronomische Union, für die Benennung und Klassifizierung von Himmelsobjekten zuständig, schuf eigens eine neue Kategorie: I für interstellar.

Der interstellare Asteroid bekam die Katalognummer 1I/2017 U1 und den hawaiianischen Namen ’Oumuamua. »In der hawaiianischen Sprache spiegelt dies (dieser Name) die Art und Weise wieder, in der dieses Objekt wie ein Kundschafter oder Bote ist, der aus der fernen Vergangenheit geschickt wurde, um uns zu erreichen«, heißt es in der Studie.

Eine Vielzahl von Teleskopen nahm den weit gereisten Gast ins Visier. »Wir mussten schnell handeln«, berichtete Olivier Hainaut von der Europäischen Südsternwarte Eso in Garching bei München in einer Mitteilung. »’Oumuamua war schon am sonnennächsten Punkt vorbei und bereits wieder auf dem Weg zurück in den interstellaren Raum.« Mit dem »Very Large Telescope« der Eso in den chilenischen Anden stellten die Forscher fest, dass der Asteroid alle 7,3 Stunden um seine Achse rotiert und dabei seine Helligkeit drastisch um rund den Faktor Zehn verändert.

»Diese ungewöhnlich starke Helligkeitsänderung deutet darauf hin, dass das Objekt sehr langgezogen sein muss: etwa zehnmal so lang wie breit, mit einer komplexen, gewundenen Form«, erläuterte Forschungsleiterin Meech. Außerdem hat der Asteroid eine dunkle, rötliche Farbe, die vermutlich von der Jahrmillionen langen Verwitterung seiner Oberfläche durch kosmische Strahlung herrührt und nicht unähnlich den Objekten in den fernsten Außenbezirken unseres eigenen Sonnensystems ist. Auch seine Zusammensetzung erinnert an Asteroiden unseres Systems.

Vermutlich besteht das fremde Objekt aus Gestein oder einem Mix mit hohem Metallanteil. »Außerdem konnten wir bestätigen, dass es vollständig inaktiv ist, weil wir in seiner direkten Umgebung nicht den geringsten Hinweis auf Staub finden konnten«, berichtete Meech. Der Besucher kommt aus der Richtung des Sterns Wega im Sternbild Leier. Als er dort vor etwa 300 000 Jahren vorbeigeflogen ist, stand die Wega allerdings noch an einer anderen Stelle, wie die Eso betont. Sein genauer Ursprung liegt im Dunkeln. »Wir beobachten dieses einzigartige Objekt weiterhin«, kündigte Eso-Astronom Hainaut an. »Und wir hoffen, genauer bestimmen zu können, woher es kam und wohin es auf seiner Reise durch die Galaxis als nächstes fliegt.«

Die Beobachtung bietet den Astronomen einen einzigartigen, wenn auch kurzen Einblick in fremde Sonnensysteme. Die Begegnung muss jedoch kein Einzelfall bleiben. Astronomen schätzen, das im Mittel einmal pro Jahr ein interstellarer Gast durch das innere Sonnensystem fliegt. Da diese Objekte jedoch sehr dunkel sind, lassen sie sich nur schwer entdecken. »Seit Jahrzehnten haben wir angenommen, dass es solche interstellaren Objekte dort draußen gibt«, betonte NASA-Manager Thomas Zurbuchen aus der Abteilung für Wissenschaftsmissionen der US-Raumfahrtbehörde. »Diese historische Entdeckung öffnet ein neues Fenster, um die Entstehung von Sonnensystemen jenseits unseres eigenen zu untersuchen.« dpa/nd

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