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Mit Kampfjets gegen Islamisten

Ägypten: Opferzahl nach Anschlag auf 305 gestiegen

  • Simon Kremer, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Reaktion der Armee auf den schlimmsten Anschlag der jüngeren Geschichte Ägyptens folgt prompt - und nach bekanntem Muster. Kaum hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi in einer Fernsehansprache eine »harte Antwort« auf den Angriff auf eine Moschee im Norden der Sinai-Halbinsel und »Vergeltung für unsere Märtyrer« angekündigt, da sind schon Kampfflugzeuge in der Luft. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag verkündet der Sprecher der Streitkräfte, dass zahlreiche Tatverdächtige und Verstecke der Islamisten ausgeschaltet worden seien. Dazu verbreitet er Schwarz-Weiß-Bilder, die diverse Raketeneinschläge u.a. auf kleine Häuser mitten in der Wüste zeigen. Ob es sich um aktuelle Bilder handelt, lässt sich allerdings nicht überprüfen. Denn der Norden des Sinai ist größtenteils militärisches Sperrgebiet, die Informationslage dünn. Die ägyptischen Streitkräfte führen hier schon seit Jahren mit Panzern und Kampfjets einen Krieg gegen mutmaßliche Islamisten. Doch statt damit die Lage unter Kontrolle zu bringen, eskaliert die Gewalt immer mehr.

Mindestens 305 Menschen starben am Freitag bei dem verheerenden Anschlag. Die Angreifer kamen mit Pickup-Trucks zur Al-Rawdah-Moschee in die kleinen Ortschaft Bir al-Abed rund 40 Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Al-Arisch. Es sei ein leichtes Ziel gewesen, heißt es aus Sicherheitskreisen, weit entfernt von großen Städte. Der Angriff erfolgt, als der Imam nach eigener Aussage gerade zur Freitagspredigt ansetzte. Als die Gläubigen nach ersten Explosionen aus der Moschee flüchten wollen, nehmen zwischen 25 und 30 Angreifer die Menschen unter Beschuss.

Die politische Analystin Sahar Aziz führt die Sicherheitskrise auf dem Sinai auf eine Mischung aus übereifrigem und rücksichtslosem Vorgehen der Sicherheitskräfte sowie Armut und politischer Vernachlässigung der Region durch die Regierung in Kairo zurück. Seit 2011, nach Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings, seien Hunderte, wenn nicht Tausende Soldaten, Zivilisten und Islamisten in dem Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Terrorgruppen getötet worden, schreibt Aziz in einer Analyse der US-Denkfabrik Brookings. »Der Aufstand 2011 hat ein politisches Vakuum im ganzen Land geschaffen, das die Situation auf dem Sinai weiter destabilisiert hat.« Denn der raue und wüste Sinai ist schon seit Jahrzehnten Unruheregion.

Abseits der großen Städte boten sich auf dem Sinai gute Verstecke für Schmuggler und Terroristen. Die Wurzeln sieht die Analystin aber weniger in islamistischer Ideologie als vielmehr in lokalen Missständen. »Die Zentralregierung in Kairo hat wenig für die Entwicklung des Sinai getan, für Schulen, Infrastruktur und Wirtschaft der lokalen Bevölkerung.« Neben dem Schmuggel machten sich seit Anfang der 2000er auch verstärkt islamistische Gruppen im Norden der Halbinsel, zwischen Suezkanal und Gaza-Streifen, breit. Doch »die Anti-Terror-Kampagne der Regierung ist von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegen unschuldige Zivilisten geprägt«, so der Journalist und Buchautor Mohannad Sabri. dpa

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