Sanktionspolitik wirkt nicht mehr wie früher

Der kubanische Soziologe Estebán Morales Domínguez rechnet mit besseren Beziehungen zu den USA nach Trump

  • Lesedauer: 4 Min.

Über Wochen hatte es sich bereits angedeutet. Anfang November hat die US-Regierung von Donald Trump dann ernst gemacht und die Sanktionen gegen Kuba verschärft: Reiseerleichterungen aus der Regierungszeit Barack Obamas wurden aufgehoben, auch wurde der Handel mit 180 kubanischen Unternehmen verboten, die Verbindungen zur Regierung oder zum Militär haben. Könnte das ernste Folgen für die Wirtschaft der Insel haben?
Ja, aber Kuba hat mehr als 50 Jahre mit der Sanktionspolitik gelebt und überlebt, das können wir auch weitere 50 Jahre. Wir sind keine Kolonie der USA und werden es nie wieder sein, auch wenn das Embargo uns nach wie vor das Leben schwer macht. Das bekommen wir gerade wieder zu spüren, denn Ersatzteile für die Reparatur der Stromversorgung nach dem Hurrikan Irma sind nur mit Zusatzkosten zu besorgen. Generell steht Kuba aber deutlich besser da als in den 1990er Jahren, als wir die schlimmste Wirtschaftskrise der Geschichte durchlebten.

Die Sanktionen richten sich vor allem gegen die Militärholding Gaesa - welche Rolle spielt das Militär in Kubas Wirtschaft?
Es ist kein Geheimnis, dass die Revolutionären Streitkräfte ein wichtiger ökonomischer Akteur sind, aber die Sanktionen treffen mehr den Tourismussektor als die Armee. Aber sie haben natürlich einen wirtschaftlichen Effekt, gleichwohl wächst Kubas Tourismussektor und es kommen immer mehr Touristen aus anderen Teilen der Welt. Die Strangulierungspolitik der USA funktioniert längst nicht mehr wie in der Vergangenheit.

Estebán Morales Domínguez

Estebán Morales Domínguez (78) ist emeritierter Professor am Zen-trum für US-amerikanische Studien an der Universität Havanna und gilt als ausgewiesener Experte für die Beziehungen zwischen Kuba und den USA. Über den erneuten Wandel vor allem im wirtschaftlichen Verhältnis beider Länder sprach Knut Henkel mit dem Soziologen.
 

Das Verhältnis zu den USA hat sich seit dem Antritt von Donald Trump merklich geändert - gibt es eine Rückkehr zu alter Rhetorik?
Dass sich Donald Trump in der Kubapolitik zurückorientiert, lässt sich nicht mehr abstreiten. Das ist wenig logisch, da sich die Beziehungen für beide Seiten zum Vorteil entwickelt hatten. Ich denke, dass Trump die Kubapolitik in die Hände Marco Rubios (republikanischer Senator aus Florida und Vertreter neokonservativer Außenpolitik, d. Red.) gelegt hat. Sie wird also wieder vom rechten Lager in Miami gemacht - wie zu Zeiten Ronald Reagans. Ich glaube aber, dass dies nur eine konjunkturelle Delle darstellt; nach Trump wird sich die Politik der Annäherung und Aussöhnung wieder durchsetzen. Dafür gibt es eine Mehrheit in den USA.

Auslöser oder auch Vorwand für die Verschlechterung der Beziehungen war die durch Schallwellen hervorgerufene Erkrankung mehrer Mitarbeiter der US-Botschaft in Havanna. Im Oktober hat Washington 60 Prozent des Personals abgezogen und eine Reisewarnung erlassen. Haben Sie eine Erklärung für die mysteriösen Erkrankungen?
Nein. Kuba hat auch Interesse, diesen mysteriösen Fall aufzuklären. Die Position der USA, dass Kuba die Sicherheit der Botschaftsangehörigen garantieren müsse, ist etwas naiv. Aber nun gut, sie haben zwei Angehörige unserer Botschaft in Washington im Mai nach Hause geschickt, um Druck aufzubauen. Das Ergebnis ist aber gleich null, denn letztlich weiß niemand, was da passiert ist und weiter passiert. Auch die CIA hat keine Beweise gefunden, dass Kuba für diese Attacken verantwortlich ist.

In den letzten zwei Jahren galten die US-Touristen als Zukunft für Kubas Tourismussektor. Hat sich das mit der Reisewarnung und der Rückkehr zur Sanktionspolitik erledigt?
Der US-Tourismus hat mittlerweile einen ökonomischen Effekt, aber noch lange nicht den, den er haben könnte. Bis dato kommen ja noch keine normalen Touristen, sondern US-Bürger, die illegal über Drittstaaten einreisen oder die mit Sondergenehmigungen kommen: als Bildungsreisende, im wissenschaftlichen Austausch oder dergleichen. Der Normalbürger hat noch nicht das Recht, nach Kuba zu reisen. Wenn sich das nach einer Regierung Trump wirklich ändern sollte, wird es eine Welle von US-Touristen geben; darauf bereiten wir uns vor. Es fehlt aber noch viel, denn die Kapazitäten reichen in der Hochsaison kaum aus - es gab Berichte über Touristen, die in Parks übernachten müssten.

Es gibt aber auch Kritik am mangelhaften Service ...
Ja, wir müssen die Qualität der touristischen Dienstleistungen erhöhen - da gibt es große Defizite. Aber Kuba hat einiges zu bieten aus touristischer Perspektive: Naturschönheiten, eine lebendige Kulturlandschaft, und Kuba ist sehr sicher. Hier kann man für fünf bis zehn Peso ins Ballett gehen; und wie viele Länder haben denn schon eine eigene Ballettschule - die kann man an einer Hand abzählen.

Was steckt hinter der Entscheidung der kubanischen Regierung, die geplante Produktion von Traktoren aus den USA in der Freihandelszone von Mariel letztlich doch nicht zu genehmigen?
Das ist letztlich eine Entscheidung der Verantwortlichen. Aber andere Firmen werden kommen und dort produzieren. So will ein spanisches Unternehmen Lebensmittel verarbeiten - ein großes Werk soll da entstehen. Die Freihandelszone wird ausgebaut, es gibt derzeit 24 Investitionsprojekte, davon ist die Hälfte genehmigt und in der Umsetzungsphase. Es geht zwar nur langsam voran, aber Mariel hat strategische Vorteile und ist ein Versprechen für die Zukunft.

Aber es dauert länger als erwartet?
Ja, das ist leider wahr.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal