Mission impossible in der Adria

Timmermans soll im fast aussichtslosen kroatisch-slowenischen Grenzstreit schlichten

  • Elke Windisch
  • Lesedauer: 3 Min.

So schön die Adria, so bitter der Grenzstreit zwischen Kroation und Slowenien um die Bucht von Piran. Aussichten für eine Vermittlung sind eher trübe.

Von Elke Windisch, Dubrovnik

Neben tiefer Kenntnis der Materie braucht Frans Timmermans, der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Fingerspitzengefühl und eine gehörige Portion Glück für die Mission impossible, die ihm EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Ende November anvertraute. Der Niederländer soll im Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien vermitteln. Es ist nicht nur der größte Konflikt zwischen zwei Mitgliedsstaaten seit Bestehen der Europäischen Union. Die Spannungen haben das Zeug, alte Verteilungskämpfe zwischen den Spaltprodukten Jugoslawiens neu anzufachen. Und Akteure wie Vermittler stehen unter enormem Zeitdruck.

Ende Dezember läuft die Frist für die Umsetzung des Urteils ab, das ein Internationales Schiedsgericht am 29. Juni fällte. Demzufolge geht der Großteil der Bucht von Piran in der nordöstlichen Adria an Slowenien. Damit bekommt das Land auch einen eignen Zugang zu internationalen Gewässern. Zwar soll Kroatien die Kontrolle über den Korridor behalten und dort auch kroatisches Recht gelten. Zagreb indes erkennt das Urteil nicht an und war zudem schon 2016 aus dem Schlichtungsprozess ausgestiegen. Der Grund: Geheimabmachungen zwischen dem Außenministerium in Ljubljana und Sloweniens Vertreter bei der Arbitrage. Ein »befreundeter Geheimdienst« hatte Kroatien 2015 entsprechende Gesprächsmitschnitte zukommen lassen.

Zwar suspendierte Slowenien die »Verschwörer« umgehend. Doch aus Sicht von Zagrebs Außenamtschefin Marija Pejčinović Burić hat der Vorfall das gesamte Schlichtungsverfahren »unrettbar kompromittiert«. Regierungschef Andrej Plenković sah durch das Urteil sogar internationales Recht verletzt. Kroatien werde es nicht umsetzen, drohte er in einer sehr emotionalen Rede vor der UN-Vollversammlung in New York im September.

Kurz zuvor hatte sein slowenischer Amtsbruder Mirko Cerar einen Gipfel in Zagreb platzen lassen. Ljubljana, so die Begründung, verhandle nicht über Alternativen zu dem Schiedsspruch, sondern nur über Modalitäten für dessen Umsetzung. Treibender Keil für die undiplomatische Absage war ausgerechnet Sloweniens Chefdiplomat Karl Erjavec. Medien zitierten ihn mit dem Satz, er wisse aus eigener Erfahrung, dass Kroatien sich »nicht an Abreden hält« und den Dialog »missbrauchen« könnte, um das Urteil zu »verwässern«.

Auch eine Begegnung beider Ministerpräsidenten am Rande eines EU-Gipfels im Oktober brachte keine Bewegung. Zusätzlich Öl ins Feuer goss Ljubljana mit Umsiedlungsplänen für die slowenische Minderheit in Kroatien und dunklen Drohungen mit »einseitigen Maßnahmen«, sollte Zagreb das Urteil der Schlichter nicht fristgemäß umsetzen.

Zagreb fürchtet, Slowenien werde wie schon bei Kroatiens EU-Mitgliedschaft nun auch dessen Beitritt zum Schengen-Raum über Jahre per Veto blockieren. Es wäre der Mega-GAU für den Fremdenverkehr, Kroatiens wichtigsten Wirtschaftszweig. Die Ängste sind begründet. Mit Dienst streng nach Vorschrift probten slowenische Beamte an der Grenze zum Nachbarn schon dieses Jahr zu Saisonbeginn den Ernstfall. Die Folge: kilometerlange Staus

Zwar schickt Europa nun einen seiner ranghöchsten Beamten. Doch allein schon bei Bemühungen, das nachhaltig gestörte Vertrauen der Konfliktparteien wiederherzustellen, könnte Timmermans an seine Grenzen stoßen. Als sicher gelten muss sein Scheitern mit Versuchen, Kroatien für Rechtsprechung durch ein Schiedsgericht zu begeistern. Dieses sucht nach Ausgleich, internationale Gerichtshöfe dagegen urteilen allein auf Grundlage des Völkerrechts. Das sieht Kroatien beim Wasserstreit auf seiner Seite und möchte den Fall auch dort verhandelt sehen. Aus gutem Grund: Bosnien-Herzegowina und Serbien, die mit Kroatien über Wassergrenzen ebenfalls im Streit liegen, sehen den Schlichtspruch zur Bucht von Piran als Präzedenzfall und sich selbst in ihren Forderungen Kroatien gegenüber bestärkt. Timmermans Spielraum aber ist begrenzt: Nicht nur Slowenien besteht auf einem Schiedsverfahren, auch Brüssel will damit weiteren Gebietsstreit auf dem Westbalkan beilegen.

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