Augsburg stellt die Pfandleihe ein

Nach 415 Jahren ist Schluss und schuld sind Internet und private Konkurrenz

  • Ulf Vogler, Augsburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschlands ältestes Leihamt wird geschlossen. Die Stadt Augsburg wird den Betrieb ihrer Pfandleihe Ende des kommenden Jahres nach dann 415 Jahren einstellen. Die Kommune begründet dies mit der privaten Konkurrenz und mit den Möglichkeiten des Handels via Internet.

In den vergangenen Jahrzehnten hatten bereits andere deutsche Städte ihre Ämter für Kleinkredite an Bürger geschlossen. Derzeit gibt es bundesweit nur noch vier Leihhäuser unter kommunaler Regie - die drei anderen sind nach der 1603 gegründeten Augsburger Pfandleihanstalt eingerichtet worden. Das schwäbische Leihamt ist zudem heute die letzte Einrichtung ihrer Art in Form eines klassischen Amtes innerhalb der normalen Stadtverwaltung.

Denn die Stadt Mannheim führt ihr Leihamt inzwischen als Anstalt des öffentlichen Rechts, die Stuttgarter Pfandleihe ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft und das Nürnberger Leihhaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem der Stadt nahestehenden Verein weitergeführt.

Daneben gibt es mehr als 200 private Pfandkreditunternehmen in Deutschland. Die im Jahr 1650 gegründete Regensburger Pfandleihe gilt in diesem Bereich als die älteste, sie gehörte allerdings bis vor einem halben Jahrhundert ebenfalls der Stadt. Die Idee der öffentlichen Leihhäuser war im späten Mittelalter zunächst in Italien entstanden, sie sollten privaten Wucher eindämmen.

In Augsburg hat der zuständige Ausschuss des Stadtrates nun das Ende der Traditionseinrichtung beschlossen. Grund dafür sei »die deutlich gesunkene Nachfrage nach Kleinkrediten, die von der Stadt gegen die Einreichung eines Pfandes angeboten und vergeben wurden«.

Der Augsburger Leihamts-Mitarbeiter Jürgen Luttmann erklärt die Entwicklung mit den heute üblichen Online-Plattformen für Versteigerungen und Kleinanzeigen. »Man kommt im Internet leichter zu Geld als früher«, sagt er. Zudem gebe es auch in Augsburg inzwischen einen privaten Anbieter.

Nur noch bis Ende Dezember 2017 ist es nun möglich, in dem Leihamt gegen Pfand einen Kredit zu erhalten. Die noch laufenden Verträge sollen dann in den kommenden zwölf Monaten abgewickelt werden.

Der Pfandkredit ist eine der ältesten Formen, ein Darlehen zu bekommen. Die Menschen bringen ihre Wertgegenstände in das Leihhaus und bekommen für einige Monate gegen Zinsen Geld. Als Pfand werden oftmals Uhren und sonstiger Schmuck abgegeben, aber auch Münzen, Porzellan oder Kameras wandern in das Leihhaus. Zudem gibt es spezielle Auto-Pfandleihen.

»Schmuck ist der Renner«, berichtet Luttmann. Der mache 95 Prozent des täglichen Geschäfts aus. Wenn der Eigentümer die Gegenstände innerhalb der vereinbarten Zeit nicht auslöst, werden sie versteigert.

Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes sind die Zinsen und Gebühren seit mehr als fünf Jahrzehnten staatlich festgelegt und unverändert. Für einen Kurzkredit von maximal 300 Euro sind ein Prozent Zins pro Monat fällig sowie eine Vergütung für die Lagerung des Wertgegenstandes und die Kreditabwicklung. Laut dem Verband nutzen etwa eine Million Menschen pro Jahr in der Bundesrepublik das Angebot, der Umsatz der Unternehmen liege bei mehreren hundert Millionen Euro. dpa/nd

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