Aufarbeiter der RAF-Geschichte

Der ehemalige Ermittler Klaus Pflieger fordert Straffreiheit für geständige Mörder

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Der »Deutsche Herbst« liegt 40 Jahre zurück - und rund 50 Jahre ist es her, dass das, was in der Entführung und Ermordung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie in die Entführung und gewaltsamen Befreiung der Geiseln einer Lufthansa-Maschine mündete, seinen Anfang nahm. Die Wunden auf beiden Seiten - auf der der nach dem Ende der 68er-Revolte in den Untergrund Gegangenen wie auf Seiten der Opfer des RAF-Terrors - sind längst noch nicht verheilt. Heilen können sie nur, wenn das Geschehen zur Geschichte geworden ist, und zur Geschichte kann es nur werden, wenn nicht mehr der Wunsch nach Strafe herrscht.

Insofern ist es bemerkenswert, was der frühere Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger jetzt vorgeschlagen hat. RAF-Angehörigen, die bereits wegen Mordes eine lebenslange Strafe verbüßt hätten, sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich zu anderen Morden zu bekennen, ohne mit einer erneuten Strafverfolgung rechnen zu müssen. Ohne den Verzicht auf Strafverfolgung sei es nicht möglich, die historische Wahrheit in Erfahrung zu bringen.

Kein anderer als Pflieger konnte, durfte, ja musste diese Überlegung anstellen, denn der 70-Jährige ist in diesem Konflikt Partei. Seit mehr als 40 Jahren ist seine berufliche Vita eng mit den Menschen verknüpft, an die er jetzt appelliert, sich zu ihrer Schuld zu bekennen. Er gehörte als Dezernent der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu den Ermittlern, das 1977 die Todesnacht von Stammheim untersuchte. Später arbeitete er bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und koordinierte dort u.a. die Anklagen gegen die RAF-Mitglieder Peter-Jürgen Boock, Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar.

Hier schließt sich der Kreis zu den Ereignissen von heute. Boock, Mohnhaupt und Klar waren in verschiedener Täterschaft an der Entführung und Ermordung von Schleyer im Herbst 1977 beteiligt. Wer Schleyer damals tötete, ist bis heute unbekannt. Eine vierte Beteiligte, Silke Maier-Witt, machte kürzlich den ersten Schritt zu Vergangenheitsbewältigung und bat den Sohn Hanns Martin Schleyers, Jörg Schleyer, um Verzeihung.

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