Irgendwie von gestern

»Beate Uhse« hilft nicht bei modernen Beziehungsproblemen, findet Bernd Zeller. Auch nicht bei Union und SPD

  • »Beate Uhse« hilft nicht bei modernen Beziehungsproblemen, findet Bernd Zeller. Auch nicht bei Union und SPD
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Das Thema unseres heutigen Berichtes ist ein neues. Genauer gesagt ist nicht das Thema selbst neu, es ist hier nur noch nie behandelt worden, nämlich Erotik, und dies nun, weil der bekannte Erotik-Konzern »Beate Uhse« Insolvenz anmelden musste, früher bekannt als Pleite. Wir wollen uns deshalb damit befassen, was das über den Zustand unserer Gesellschaft aussagt.

Manche erinnern sich vielleicht noch an die Zeiten, als die Planwirtschaft keine Erotikartikel vorsah, was aber nicht als Mangel empfunden wurde. Damals besaß Erotik keinen Warencharakter, die Leute haben sich irgendwie anders zu helfen gewusst. Dies war, wie man heute weiß, wenig innovativ. Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kam die Professionalisierung ins Spiel und damit die Technologisierung und später die Digitalisierung. Letzteres wünschen sich Schulpolitiker für die Ausstattung an Schulen, wobei Erfahrungen zeigen, dass die Schüler die digitalen Angebote bereitwillig nutzen, um sich über Fortschritte auf dem Gebiet der Pornografie zu informieren. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Interesse an Informatik oder Schulstoff allgemein.

Beate Uhse hat es jedoch unterlassen, den Anschluss an die moderne Lehre zu finden. In der herkömmlichen Sexualität interessiert immer nur ein Geschlecht, nämlich das andere. In der modernen Forschung kennt man inzwischen ganz viele Geschlechter, aber viele Schüler sind damit überfordert, sie alle auswendig zu lernen oder sie schreiben zu können. Es ist festzuhalten, dass Beate Uhse die Jugend zu wenig auf die Schule vorbereitet hat.

Während zu allen vergangenen Zeiten die herrschende Klasse, ob Adel oder Proletariat, kein Problem damit hatte, sich zuweilen aufs Geschlechtliche reduzieren zu lassen (dies tat ja der Herrschaft keinen Abbruch), haben wir heute damit ein doppeltes Problem. Es ist nicht abwegig, es als Beleidigung zu empfinden, wenn eine Prothese aus dem Beate-Uhse-Angebot zum Einsatz kommen muss. Zudem haben wir die Informationsgesellschaft - da zählt Präsenz, da kommt es auf das Image an, da generiert man Klickzahlen und Aufrufe und Standing. Man ist potenzieller nächster Superstar oder die Stimme von Deutschland oder »Tatort«-Kommissarin, die bei Anne Will als Expertin befragt wird zu dem Fall, den ihre Figur gelöst hat. Da ist es eine absolute Vernichtung, als Sexualobjekt angesehen zu werden, zumal das dem eigenen Selbstbild nicht entsprechen kann.

Niemand hat sich selbst als Objekt, abgesehen von den Narzissten und außer in den Fällen von denen, die sich selbst medial so inszenieren, aber dies geschieht oft zum Zwecke des Selbstschutzes; man übertreibt und nimmt vorweg, was man eigentlich gar nicht will, um sich die Illusion zu geben, man behielte die Kontrolle. Das funktioniert ganz gut, denn meistens ist es den Unbeteiligten nur peinlich.

Und wo das Angebot von Beate Uhse auch noch nicht mehr zeitgemäß ist: in Bezug auf die neuen Beziehungsformen, speziell die Erotik durch Nicht-mehr-Beziehung. Dies erleben wir gerade beispielhaft auf Bundesebene. Die Partner haben es vier Jahre zusammen nur mühselig ausgehalten und wollten sich trennen.

Im Moment praktizieren sie ein unverbundenes Zusammenleben. Je länger dieser Zustand andauert, desto attraktiver wirken sie wieder aufeinander. Vorsichtiges unverbindliches Sondieren löst zwar noch kein neues Entflammen der Partnerschaft aus, aber man merkt, dass es doch keine ganz schlechte Zeit war. Eventuell kann man schon wieder zusammen über manche Dinge aus den gemeinsamen Jahren lachen, vielleicht, wenn jemand »Maut« sagt. Die eine Seite weiß nicht, was sie hätte anders machen sollen, die andere will irgendwas Neues. Beste Voraussetzungen, es doch noch einmal zu versuchen.

Wie man sieht, würden hier keine Beate-Uhse-Artikel nützen. Es sei denn, man rechnet Martin Schulz dazu. Im weitesten Sinne.

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