Staatsfernsehen spricht von zehn Todesopfern

Demonstrationen gegen Regierung gehen weiter / Präsident Ruhani geht auf Kritiker zu

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Teheran. Die seit Donnerstag andauernden Protesten in Iran haben bereits mehrere Tote gefordert. Das Staatsfernsehens spricht von zehn Todesopfern, gab am Montag zunächst aber keine weiteren Details dazu bekannt.

Zuvor hatte ein Abgeordneter von zwei weiteren Toten gesprochen. Sie seien in der Nacht zum Montag in der Stadt Iseh in Südwestiran getötet worden, sagte Hodschatollah Chademi der Nachrichtenagentur Ilna. Nach Angaben von Chademi gab es auch Verletzte und Festnahmen. Bei einigen der Festgenommenen seien auch Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden, sagte der Abgeordnete am Montag.

In der Silvetsernacht fanden weitere Demonstrationen statt, so in der Hauptstadt Teheran. Berichte über Proteste gab es auch aus den Städten Kermanschah im Westen, Schahinschahr bei Isfahan sowie Takestan und Sandschan im Norden. Von Medien und in sozialen Netzwerken veröffentlichte Videos aus Iseh zeigten Angriffe auf öffentliche Gebäude, religiöse Zentren, Banken und Büros der islamischen Bassidsch-Miliz. Einige Gebäude sowie Polizeifahrzeuge wurden in Brand gesetzt.

Ähnliche Angriffe wurden aus der im Westen gelegenen Stadt Dorud gemeldet. Dort wurden nach Behördenangaben bei Zusammenstößen am Rande von »illegalen Protesten« am Samstagabend zwei Menschen getötet, am Sonntagabend kamen zwei weitere Menschen ums Leben. Der Präfekt der Stadt sagte im Staatsfernsehen, Demonstranten hätten sich eines Feuerwehrwagens bemächtigt und ihn eine abschüssige Straße herunterrollen lassen. Dabei seien ein älterer Mann und ein Jugendlicher tödlich getroffen worden.

Der Vize-Provinzgouverneur von Lorestan, Habibollah Chodschastehpur, sagte der Nachrichtenagentur Mehr zufolge, außer in Dorud habe es auch in Nurabad und Choramabad Proteste gegeben. In der nordwestlichen Stadt Orumieh wurden laut Behörden zehn »Unruhestifter« festgenommen.

Die regierungskritischen Proteste sind die größten seit der gewaltsam unterdrückten Bewegung gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2009. Die aktuellen Demonstrationen in Iran begannen in der zweitgrößten Stadt Maschhad. Sie richteten sich anfangs vor allem gegen die hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen, bald aber auch gegen die Führung des Landes. Allein in Teheran wurden zuletzt rund 200 Menschen festgenommen.

Präsident Hassan Ruhani hat derweil gemäßigt auf die Proteste reagiert. »Wir haben eure Probleme gehört«, erklärte er am Sonntag an die Demonstranten gerichtet. Ruhani betonte das Recht der Menschen auf Meinungsfreiheit, warnte aber zugleich vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Er kritisierte auch die Hardliner, denen die Regierung eine Mitschuld an den Protesten gibt. In Iran konkurrieren Reformer und religiöse Hardliner um die Führung des Landes.

Ruhani äußerte auch Kritik zu Tweets von US-Präsident Donald Trump über die Demonstrationen und bezeichnete ihn als Heuchler. »Dieser Herr in den USA, der sich jetzt besorgt um das iranische Volk zeigt, hat vor Kurzem das gleiche Volk als Terroristen bezeichnet«, so der Kleriker. Jemand, »der von Kopf bis Fuß« gegen Iran sei, sollte nun nicht den Besorgten vorheucheln.

Trump twitterte am Sonntagmorgen (Ortszeit), die Menschen in Iran hätten endlich begriffen, »wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird. Wie es aussieht, werden sie es nicht länger hinnehmen«. Die USA würden »sehr genau« beobachten, ob es Menschenrechtsverletzungen gebe. Agenturen/nd
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