Schalldämpfer für mehr Waldesruh

Thüringen: Nach langem Streit darf ein erster Förster mit Lärm minderndem Gewehraufsatz jagen - als Ausnahme

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Trotz des Widerstands des Thüringer Innenministeriums, darf ein Thüringer Förster von nun an einen Schalldämpfer auf sein Jagdgewehr schrauben und damit auf die Jagd gehen. Der Kollege aus Nordthüringen sei damit der erste Beschäftigte der halbstaatlichen Landesforstanstalt ThüringenForst mit dieser Ausnahmebewilligung, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Genehmigung sei ausgestellt worden, nachdem sich der Förster maßgeblich privatrechtlich darum bemüht habe. Das Landesinnenministerium führt Sicherheitsbedenken ins Feld, die Befürworter von Schalldämpfern argumentieren mit Erfordernissen des Gesundheitsschutzes.

Die für die notwendigen Ausnahmegenehmigungen zuständigen Behörden sind beim Landratsamt Eichsfeld angesiedelt. Eine Amtssprecherin bestätigte, dass der Förster von nun an einen Schalldämpfer für sein Jagdgewehr besitzen und auch benutzen darf - wozu formal betrachtet gleich zwei Anträge notwendig waren. »Es ist richtig, dass durch die Waffenbehörde des Landkreis Eichsfeld eine Genehmigung für den Erwerb eines Schalldämpfers erteilt wurde«, sagte sie. Die Genehmigung, dann mit Hilfe des Schalldämpfers auch zu jagen, sei schließlich durch die zuständige Jagdbehörde erteilt worden. Gleichzeitig machte die Sprecherin des Landratsamtes deutlich, dass die Behörde auch in Zukunft unter bestimmten Bedingungen Jägern Schalldämpfer genehmigen wird. »Sobald der Antragsteller ein Bedürfnis nachweisen kann, ist die waffenrechtliche Genehmigung zu erteilen«, sagte sie. Im vorliegenden Fall sei dieses Bedürfnis »zweifelsfrei durch eine entsprechende Anerkennung eines begründeten Einzelfalles« dargelegt worden. Weitere Anträge auf Genehmigung eines Schalldämpfers zu Jagdzwecken von anderen Jägern lägen der Behörde derzeit aber nicht vor, sagte sie.

Seit Monaten streiten in Thüringen vor allem das für den Forst und die Jagd zuständige Infrastrukturministerium - Ressortchefin ist die LINKE-Politikerin Birgit Keller - und das Innenressort von Minister von Georg Maier (SPD) darüber, ob im Freistaat wie in anderen Bundesländern auch Schalldämpfer zu Jagdzwecken grundsätzlich erlaubt sein sollen - oder nicht. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist im Land der Einsatz von Schalldämpfern bei der Jagd verboten. Unter anderem der Thüringer Forstbetrieb spricht sich aber dafür aus, dieses Verbot zu kippen. Das halbstaatliche Unternehmen sei schon durch EU-Recht dazu verpflichtet, einen wirksamen Schallschutz möglichst an dem Ort umzusetzen, an dem der Knall entsteht, sagte der Sprecher des Forsts. Dieser Ort sei das Gewehr. »Deshalb unterstützt die Landesforstanstalt Bestrebungen, eine entsprechende Gesetzesnovellierung mit dem Ziel durchzuführen, den Einsatz von Schalldämpfern bei der Jagd aus Gründen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie des Tierschutzes - gerade für Jagdhunde, die sich in der Nähe des Jägers aufhalten - vorzusehen.« Ein Schalldämpfer ermögliche es, den Gewehrknall mit einer Schallbelastung von etwa 140 bis 160 Dezibel um etwa 20 bis 30 Dezibel »entscheidend abzusenken«.

Im Innenministerium argumentiert man dagegen, Jäger könnten sich vor dem Knallen beim Schießen ausreichend schützen, wenn sie konsequent einen Gehörschutz tragen. Sollten Schalldämpfer in Thüringen weit verbreitet werden, steige das Risiko, dass sie in die Hände von Kriminellen oder Terroristen fallen könnten, heißt es aus dem Ressort. Gerade in Kombination mit Unterschallmunition gebe es faktisch keinen Knall mehr, wenn jemand ein mit einem Schalldämpfer ausgerüstetes Gewehr abfeuere.

Allerdings ist Unterschallmunition in Deutschland für Jäger wie für die meisten anderen Waffenbesitzer nicht legal zu kaufen. Bei der Verwendung von gewöhnlicher Gewehrmunition entsteht selbst beim Schießen mit Schalldämpfer ein Knall, der noch immer ungefähr so laut ist wie ein startendes Düsenflugzeug.

Im Zuge dieses Streits zwischen den Ministerien hatten sich die zuständigen Staatssekretäre für Infrastruktur, Klaus Sühl (LINKE), und Inneres, Udo Götze (SPD), nach einer Schussvorführung im Schießsportzentrum Suhl einen heftigen verbalen Schlagabtausch geliefert. Ob sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition in dieser Legislaturperiode noch auf eine Novellierung der Rechtslage einigen kann, ist deshalb offen.

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