Korsikas Nationalisten im Aufwind

Nationalistenführer hält Antrittsrede demonstrativ in korsischer Sprache und spricht »politische Gefangene« an

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die korsischen Nationalisten fühlen sich nach dem Wahlsieg vom Dezember im Aufwind und wollen jetzt in Verhandlungen mit der Pariser Regierung ihre Forderungen aus einer Position der Stärke heraus durchsetzen. Das machte der Nationalistenführer Jean-Guy Talamoni, der am Dienstag zum neuen Präsidenten des Regionalrates gewählt wurde, in seiner Antrittsrede deutlich, die er provokativ in korsischer Sprache gehalten hat.

Talamoni ist nunmehr auch der Chef der neuen Selbstverwaltung der Mittelmeerinsel, steht über 5000 Beamten vor und verwaltet ein Jahresbudget von rund einer Milliarde Euro. Die gemeinsame Liste der korsischen Nationalisten hatte am 10. Dezember bei der Wahl zum »Rat der einheitlichen Autorität«, die die bisherigen zwei Departements Nord- und Südkorsika ablöst, 56,6 Prozent der Stimmen und damit 41 der 63 Sitze im Rat errungen.

Demonstrativ widmete Talamoni seine Rede den »politischen Gefangenen« aus den Reihen der Nationalistenorganisation FLNC, deren Engagement für die Sache der Korsen er in flammenden Worten würdigte. Folgerichtig gehört zu den drei wichtigsten Forderungen an die Regierung in Paris eine Amnestie für all diese Häftlinge, von denen einige wegen Mordes zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt sind und deren Status als »politische Häftlinge« vom Staat nicht anerkennt wird.

Die Nationalisten fordern ferner, dass die korsische Sprache gleichberechtigt mit der französischen als offizielle Amts- und Unterrichtssprache auf der Insel anerkannt wird. Die dritte Hauptforderung ist die »nationale Priorität« für Korsen. Beispielsweise soll der Kauf von Grundstücken, Häusern oder Wohnungen davon abhängig gemacht werden, dass der Käufer mindestens seit fünf Jahren dauerhaft auf der Insel lebt. Damit will man der Explosion der Immobilienpreise durch den »Ausverkauf an Franzosen vom Kontinent« entgegenwirken und auch einkommensschwachen Korsen die Chance bieten, auf der Insel zu bleiben.

Zu diesen Forderungen hat der französische Premier Edouard Philippe bereits am 12. Dezember erklärt, dass »Reformen möglich sind, aber nur im Rahmen der Verfassung der Französischen Republik«. De facto bedeutet dies, dass diese drei Forderungen inakzeptabel sind. Dazu sagte Talamoni in seiner Antrittsrede: »Wenn eine Verfassung nicht ein Volk anerkennt, muss die Verfassung geändert werden und nicht das Volk verschwinden.« An die Adresse von Präsident Emmanuel Macron gewandt forderte er »umgehend klarzumachen, welches seine Vision für Korsika ist und was er unter Dialog versteht«.

Im Präsidentschaftswahlkampf hatte Macron das Reizthema Korsika selten und nur in ganz allgemeinen Worten berührt und auch seit seinem Amtsantritt gemieden. Talamoni betonte, die Wahl und die neue Selbstverwaltung leiteten »eine neue Ära ein, die Korsika unausweichlich den Weg des Friedens und der Demokratie, des Wohlstands und der vollen Selbstbestimmung eröffnet«.

Damit deutete er die Hoffnung der Nationalisten an, durch praktische Erfolge die Korsen, die heute noch mehrheitlich die Unabhängigkeit der Insel ablehnen, umzustimmen. In Interviews nennt Talamoni als Ziel, in zehn bis 15 Jahren bei einem Referendum auf der Insel über die Abtrennung von Frankreich die Mehrheit zu erringen.

Bild: Jean-Pol GRANDMONT

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