Ultralibertär und überaus mächtig

Der Einfluss der Koch-Brüder auf die US-Republikaner hat sich ausgezahlt. Von Max Böhnel

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Jahrzehnten baut das steinreiche Bruderpaar Charles und David Koch mit Unsummen von Dollars an einem ultralibertären Netzwerk. Sein Einfluss auf die US-Republikaner und auf die Trump-Regierung hat sich mit der jüngst beschlossenen Steuerreform ausgezahlt.

Charles Koch ist 82, sein Bruder David 77 Jahre alt. Über ihr Privatleben ist wenig bekannt. Sie agieren nach außen wie altmodische Industriebarone - wenig protzig, ganz und gar nicht großmäulig wie ein Donald Trump. Aussagekräftige Interviews existieren nicht. Dabei spielen sie seit Jahren eine entscheidende Rolle bei der Rechtsentwicklung in den USA.

Laut der Forbes-Milliardärliste von 2017 stehen sie mit einem angehäuften Vermögen von jeweils 48,3 Milliarden Dollar an achter Stelle der weltweiten Krösusse. Ihre Geldmaschine heißt Koch Industries, die sie beide zu 42 Prozent besitzen. Das Mischunternehmen ist nach Cargill der zweitgrößte nicht an der Börse notierte Konzern der USA. Hergestellt, veredelt und vertrieben werden Öl, Chemikalien, Energie, Mineralien, Düngemittel, Kunststoff und Papier. Weitere Branchen sind Technologie, Banken und Verbrauchsgüter mit rund 60 000 Lohnabhängigen in den USA und 40 000 außerhalb des Landes.

In den späten 70er Jahren begannen die Kochs, ihre politische Philosophie auszuposaunen. 1980 bewarb sich David Koch als Vizepräsidentschaftskandidat für die marktradikale »Libertarian Party«. In deren Programm standen die Abschaffung der staatlichen Renten- und Krankenversorgung, der US-Post, der Ministerien für Energie und Transport sowie der Umwelt- und Verbraucherschutzbehörde. Das staatliche Bildungssystem, Autobahnen und Kindergärten sollten komplett privatisiert werden.

Obwohl die Partei nur auf knapp über ein Prozent kam, hielten die Kochs an ihrem ideologischen Kurs fest: die Rücknahme jeglicher staatlicher Regulierungen, die Einführung eines wirtschaftslibertären Paradieses. Sie begannen mit der Gründung und Finanzierung von Initiativen in einzelnen Ortschaften und Staaten - in enger Anlehnung an die Republikanerpartei, bisweilen auch in Zusammenarbeit mit Initiativen jenseits der Konservativen, wenn sich Übereinstimmungen mit libertären Ideen anderer Prägung ergaben. So unterstützten die Koch-Brüder die Bürgerrechtsvereinigung American Civil Liberties Union und die Homoehe.

Mit ihrem Geld und ihrem »Networking« entwickelten die Kochs quer über die USA ihr Netzwerk aus Non-Profit-Organisationen, Denkfabriken, gesponserten Lehrstühlen und politischen Organisationen. Eine der schlagkräftigsten ist der 2004 gegründete Verband »Americans for Prosperity«, der heute in 36 US-Bundesstaaten über eine Infrastruktur verfügt - mit einem Budget von fast 400 Millionen Dollar und einer Mitgliederzahl von über drei Millionen.

Eine Entscheidung des Obersten Gerichts von 2010 katapultierte das bereits schlagkräftige und finanziell gut ausgestattete Koch-Netzwerk weiter nach oben. Seit eine konservative Richtermehrheit im Citizens-United-Beschluss die Regulierung von Wahlkampf-Unterstützungskampagnen durch Unternehmen kippte, dürfen Firmen mit unbegrenzten Geldsummen für oder gegen politische Kandidaten werben. Für das Urteil hatten sich die Koch-Netzwerke monatelang eingesetzt. Unbegrenzte Wahlkampfspenden gelten seitdem als legitime Ausübung der Meinungsfreiheit. Davon machten die Kochs Gebrauch. Ihr »dark money« in geschätzter Höhe von bis zu einer Milliarde Dollar floss seitdem an Republikanerkandidaten, oder es wurde zur Diskreditierung von Demokraten eingesetzt. Die Herkunft des Geldes muss seit dem Urteil nicht mehr offengelegt werden.

Trotzdem: Das Verhältnis der Kochs zu Trump war schwierig. Schon im Vorwahlkampf sträubte sich Charles Koch wie andere Libertäre, für ihn Stellung zu beziehen. Er bezeichnete die Wahl zwischen Trump und seiner Gegenkandidatin Hillary Clinton sogar als Wahl zwischen »Krebs und Herzinfarkt«. Stattdessen floss Geld der Brüder an Republikaner, die fürs Abgeordnetenhaus und den Senat sowie für Parlamente in Bundesstaaten kandidierten. Umgekehrt distanzierte sich auch Trump von den Kochs. Er verweigerte nicht nur Treffen mit ihnen, sondern ließ seine Twitter-Anhänger wissen, dass er ihr Geld ablehne, weil er sich nicht von ihnen abhängig machen wolle. Vizepräsident Mike Pence werden hingegen gute Kontakte zu den Kochs nachgesagt.

In den ersten Monaten nach Trumps Amtsantritt wurden dann seine nationalistischen Vorschläge, die der libertären Wirtschaftsideologie der Kochs zuwiderliefen, aufgeweicht: Trumps Einreisestoppdekret wurde gerichtlich gestoppt, er nahm von einer Grenzsteuer sowie vom versprochenen Infrastrukturprogramm Abstand. Schließlich gab es nach Trumps Amtsübernahme viele unbesetzte Stellen im Regierungsapparat. Der Personalmangel wurde durch das Koch-Netzwerk schnell behoben.

Als »Stunde der Wahrheit« bezeichneten Sprecher der Kochs die jüngste Steuerreform. Hätte Trump sie nicht zu ihrer Zufriedenheit durchgesetzt, wären viele rechts-libertäre Wahlkampfspender auf Distanz zu den Republikanern gegangen. »Wenn man dem neuen Läufer die Stafette übergibt, erwartet man Resultate«, sagte schließlich ein hochrangiges Mitglied im Koch-Netzwerk erleichtert.

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