Justizminister auf der Flucht nach vorn
Thüringens Ressortchef beklagt Personalsituation
Erfurt. Nach der Flucht von drei Häftlingen aus dem Jugendgefängnis in Arnstadt will die Thüringer CDU die Vorschriften zum Strafvollzug überprüfen. Mit dem Gesetz über den Justizvollzug habe das Land 2014 Standards gesetzt, die weit über das bis dahin übliche hinausgingen, sagte der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Manfred Scherer, am Montag in Erfurt. Es sei klar gewesen, dass sich diese nur mit mehr Personal umsetzen lassen würden.
»Entweder wird der Strafvollzug entsprechend ausgestattet, oder die Sinnhaftigkeit mancher Regelung gehört überprüft«, erklärte Scherer. Er nannte es »schlicht schäbig, wenn der Justizminister verbal auf die Bediensteten eindrischt, obwohl er genau weiß, dass das ambitionierte Vollzugsgesetz und die Personalausstattung nicht zusammen passen«.
Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) - seit Ende 2014 im Amt und derzeit Vorsitzender der Justizministerkonferenz der Länder - räumte am Freitag bei einer Pressekonferenz ein, dass die Personalsituation im Strafvollzug problematisch sei. Gerade in Thüringen, wo sich die Überalterung der Bevölkerung besonders bemerkbar mache, sei es schwierig, qualifizierten Nachwuchs zu finden, sagte der Minister. In Arnstadt sei der Personalschlüssel allerdings vergleichsweise gut. Auch sei die Abstimmung mit dem Finanzministerium schwierig. Schließlich ginge die Zahl der Gefangenen in Thüringen seit Jahren zurück. Da die Häftlinge aber immer häufiger mit einer Vielzahl an Problemen, wie etwa Sucht, in den Strafvollzug kämen, wüchsen die Herausforderungen für die Mitarbeiter.
Grundsätzlich verteidigte Lauinger den Ansatz des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuches: »Ich möchte nicht die Idee aufgeben, dass Strafvollzug mehr sein muss, als das bloße Wegschließen.« Es gehe darum, Gefangene durch soziale Angebote oder Ausbildungsmöglichkeiten auf die Zeit nach der Haft vorzubereiten. Das verringere die Wahrscheinlichkeit, das sie erneut Straftaten begingen. Sicherheit habe aber Vorrang.
Am Freitagmorgen war drei Häftlingen im Alter von 19, 22 und 23 Jahren die Flucht aus der Jugendstrafanstalt bei Arnstadt gelungen. Sie wurden nur wenige Stunden später von der Polizei gefasst. Lauinger hatte individuelle Fehler von Bediensteten beklagt. Diese hätten Alarmmeldungen und Dienstvorschriften offenbar aufs Gröbste missachtet. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.