»Besser als Jamaika«

DGB sieht Licht und Schatten

  • Lesedauer: 2 Min.

Dass starke Kräfte in den DGB-Gewerkschaften eine Fortsetzung der nicht mehr allzu großen Koalition (GroKo) aus Union und SPD bevorzugen, ist kein Geheimnis. Weil die Mehrheit der Spitzenfunktionäre nach wie vor das SPD-Parteibuch in der Tasche hat, scheint ihnen eine SPD-Regierungsbeteiligung die beste Voraussetzung zu bieten, um durch direkte Drähte in den Regierungsapparat manches auf dem kurzen Dienstweg zu regeln. Das Lippenbekenntnis im Sondierungspapier zur »Renaissance« von »sozialer Marktwirtschaft«, Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung ist offensichtlich an ihre Adresse gerichtet.

So zeigte sich der DGB in einer ersten Stellungnahme zum Sondierungspapier zwischen Union und SPD angetan, dass »dieses Ergebnis weit mehr Substanz für die Arbeitnehmer« enthalte als die im November geplatzten Jamaika-Verhandlungen. Konkret nennt das DGB-Statement »die Stabilisierung der Rente, die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung, die Stärkung von Bildung und die Verbesserung der Pflege«. Auch die Vorschläge für ein »solidarisches und soziales Europa« seien »ein wichtiger Schritt«, heißt es in dem Papier, das nach einer ersten Durchsicht veröffentlich wurde. Gleichzeitig attestiert die DGB-Spitze dem Papier »erkennbare Schwachpunkte« und Verbesserungsbedarf. Dies betreffe »Herausforderungen der digitalen Transformation« ebenso wie eine »die Förderung von sicherer Arbeit und Tarifbindung«, so die Erklärung. Der DGB-Bundesvorstand will das Papier in dieser Woche genauer erörtern.

Ob die sozialdemokratische Gewerkschaftsbasis allerdings die verhaltene Freude der DGB-Zentrale am Sondierungspapier teilt, ist fraglich. Neben der Bürgerversicherung fehlen weitere zentrale gewerkschaftliche Forderungen zur Zurückdrängung prekärer Arbeit. So etwa eine Abschaffung sachgrundloser Befristungen bei Arbeitsverträgen - was in der letzten Legislaturperiode zum Greifen nahe schien und letztlich an der Koalitionstreue der SPD scheiterte. Auch mit massenhafter Leiharbeit scheint sich die SPD abgefunden zu haben. Wenn das Sondierungspapier die längst ausgehöhlte paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Beschäftigten wieder herstellen, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozent senken und die Sozialabgaben bei unter 40 Prozent stabilisieren will, bleibt aus der Sicht von abhängig Beschäftigten Skepsis angebracht. Schließlich könnten gedeckelte Beitragssätze, wie sie Unternehmerverbände und neoliberale Thinktanks seit Jahrzehnten mit dem Schlagwort »Senkung der Lohnnebenkosten« fordern, zu weiteren Leistungskürzungen führen.

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