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  • Dateien von Szenekundigen Beamten

Heimliche Datensammlung über Fußballfans vor dem Aus?

Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass Szenekundige Beamte mit ihren Dateien in das Persönlichkeitsrecht eingreifen / Fan von Hannover 96 klagt gegen Datenspeicherung

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Welches Fußballspiel wurde besucht? Wie aktiv ist eine Person in der Fanszene eines Vereins? Und wo wohnt er oder sie überhaupt? Fragen wie diese stellen sich sogenannte Szenekundige Beamte der Polizei (SKB) nicht nur, die Antworten darauf werden in vielen Bundesländern auch festgehalten – heimlich. Zumindest war das langjährige Praxis. In den Jahren 2015 und 2016 aber haben parlamentarische Anfragen und Gerichtsverfahren die Existenz dieser SKB-Dateien in fast jedem Landeskriminalamt öffentlich gemacht. Gegen die Speicherung ihrer Daten wehren sich Fußballfans seit Jahren. Einen Teilerfolg gab jetzt die Fanhilfe von Hannover 96 bekannt.

Danach hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 20. Dezember 2017 festgestellt, dass es sich bei der »heimlichen Speicherung personenbezogener Daten« um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt. »Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen«, schreibt die Fanhilfe.

Seit zwei Jahren klage ein Fan des Bundesligisten bereits auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der »Arbeitsdatei Szenekundige Beamte« der Polizeidirektion Hannover. Die Verfahren haben bereits dazu geführt, dass der »überwiegende Anteil einzelner Einträge« habe gelöscht werden müssen. Ungeklärt ist noch, ob die Datei in Gänze unrechtmäßig ist. Die Klageseite pocht darauf, weil die Datei von März 2005 bis August 2014 ohne Kenntnis der Öffentlichkeit geführt wurde. Den Betroffenen war es nicht möglich, den Grundrechtseingriff, den die Speicherung personenbezogener Daten darstellt, gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Polizeibehörden haben demnach ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht »faktisch ausgehebelt«.

Die Fanhilfe Hannover sieht sich nun in ihrer Argumentation bestärkt. »Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts stimmt insoweit hoffnungsvoll, als dass die dort dargelegte Ansicht die Interpretation zulässt, dass die Datei bis zur Kenntnis der Öffentlichkeit und Erfüllung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in rechtswidriger Art und Weise geführt wurde, weil eben kein effektiver Rechtsschutz gegen die Speicherung möglich war«, heißt es.

Über die grundsätzliche Zulässigkeit der SKB-Datei im Land muss nun das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entscheiden, an das der Rechtsstreit zurückverwiesen wurde. Die Kläger erhoffen sich, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass alle Einträge aus der Zeit vor August 2014 rechtswidrig vorgenommen wurden und gelöscht werden müssen.

Ein solches Urteil hätte weitreichende Konsequenzen über das Land Niedersachsen hinaus. In zehn weiteren Bundesländern – darunter Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern – wurden und werden SKB-Dateien geführt. In den wenigsten Fällen besteht eine Informationspflicht gegenüber den darin geführten Personen. Ähnlich verhält es sich mit der bundesweiten Datei »Gewalttäter Sport«. »Auch diese Praxis könnte sich im Lichte des Beschlusses als rechtswidrig darstellen, da dort gespeicherte Personen in Ermangelung der Kenntnis der Eintragung ihre Rechte auf Auskunft und Löschung ebenfalls nicht geltend machen können«, so die Fanhilfe Hannover.

Für Betroffene kann die Erfassung in solchen Dateien weitreichende Konsequenzen haben. So wurde erst in der Vorwoche bekannt, dass die Bundespolizei anlässlich des Confederations Cup 2017 in Russland Informationen über fünf Personen aus der Gewalttäter-Sport-Datei an russische Behörden weitergab. Dabei ist auch diese Datei hochumstritten – nicht nur wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, sondern auch, weil viele Fans zu Unrecht erfasst worden seien.

Auch die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) sieht in dem aktuellen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts eine Stärkung der Rechte von Fans. »Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung gilt selbstverständlich auch für Fußballfans. Wenn deren Daten von Polizeibehörden gespeichert werden, müssen Betroffene darüber informiert werden«, so Lazar gegenüber »nd«. Sie fordert seit langem die Durchsetzung einer Informationspflicht bei Einspeicherungen in der Verbunddatei »Gewalttäter Sport«. Diese müsse auch für die SKB-Dateien auf Länderebene gelten.

Doch das reiche nicht aus: »Bei den Sicherheitsbehörden muss endlich ein Umdenken stattfinden: Bürgerrechte gelten auch für Fußballfans, der Fußball darf nicht weiter zu einem Experimentierfeld für immer weitergehende Eingriffsrechte des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern werden.« Heimliche Datensammlungen widersprechen laut Lazar rechtsstaatlichen Prinzipien »und untergraben darüber hinaus das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden«.

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