Schelte für ThyssenKrupp

Vorstandsboss muss sich auf Hauptversammlung heftige Kritik von Aktionären anhören

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Heinrich Hiesinger im Jahr 2010 von Siemens zu ThyssenKrupp wechselte, stand der Konzern infolge seiner verfehlten Stahlexpansion nach Amerika am Rande der Pleite. Als der Vorstandsvorsitzende am Freitag in der Bochumer Ruhrkongress-Halle vor die Aktionäre trat, musste er zwar noch einen Fehlbetrag von 650 Millionen Euro verantworten. Dieser kam allerdings lediglich durch negative Sondereffekte aus dem Verkauf des brasilianischen Stahlwerks CSA zustande. Ansonsten ist das Abenteuer abgehakt. Hinter Hiesinger liegt jedoch »ein Jahr wichtiger Entscheidungen«: mit dem CSA-Verkauf, der Einigung mit dem indischen Konkurrenten Tata Steel über eine Fusion der Stahlsparten beider Unternehmen und einer Kapitalerhöhung. Für das im Oktober begonnene Geschäftsjahr 2017/18 erwartet Hiesinger eine »deutliche Steigerung« des Gewinns auf bis zu zwei Milliarden Euro.

Obwohl die positiven Prognosen der Analysten übertroffen wurden, kritisierten Großaktionäre wie Union Investment, die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken, auf der Hauptversammlung den »Gemischtwarenladen«. Der schwedische Finanzinvestor Cevian - er ist mit rund 18 Prozent nach der Krupp-Stiftung der zweitgrößte Aktionär - denkt laut über eine Zerschlagung des Konzerns in seine fünf Sparten nach. Dahinter steht die Hoffnung, dass die einzelnen Teile an der Börse mehr Wert sein würden als das Ganze. Dabei können sich die Aktionäre eigentlich nicht beklagen: Mit der Dividende kassieren sie wieder eine sichere Rendite von immerhin ein Prozent und seit der Einigung mit Tata stieg der Börsenkurs um fast 20 Prozent.

Weniger um die Rendite als um das Leben der Anwohner geht es dem kritischen Aktionär Christian Russau. Im Geschäftsbericht schreibe ThyssenKrupp, dass durch den Verkauf für das CSA-Stahlwerk »eine tragfähige Zukunftsperspektive eröffnet« werde. Für Russau ist das »blanker Hohn«, da der Betrieb weiterhin seinen schwermetallhaltigen Staub in die Umgebung blase. Die Fänge von 5763 Fischerinnen und Fischern seien um bis zu 80 Prozent zurückgegangen; die Gesundheit der Menschen in der Provinz Rio de Janeiro leide unter der Luftverschmutzung. Die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft ermittle, ob wegen Verstoßes gegen Umweltauflagen frühere Steuervergünstigungen zu Unrecht an den deutschen Konzern geflossen sind.

Russau sprach für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre aus Köln. Der warb in Bochum mit einem Flyer unter dem Motto »achtlos, aufrüsten, ausbeuten« um Unterstützung für seine Kritik. Ungeachtet der politischen Krise in Burundi will ThyssenKrupp dort geförderte Seltene Erden, die für die E-Mobilität zunehmend an Bedeutung gewinnen, als exklusiver Vertriebspartner verwerten. Die Kritischen Aktionäre schlagen vor, den Vertrag an den Schutz von Menschenrechten und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu binden.

Kritisiert werden vom Dachverband auch Rüstungsgeschäfte. Der sogenannte graue Schiffbau gehört neben dem besonders profitablen Geschäft mit Aufzügen sowie Autoteilen, Industrieanlagen und Stahl zu den fünf Sparten der Essener Aktiengesellschaft. Aktuell stehen unter anderem U-Boote für Ägypten und die Türkei in den Auftragsbüchern. »Der Konzern setzt seinen Schmusekurs mit Despoten fort«, klagt Barbara Happe, Anti-Rüstungs-Aktivistin des Vereins Urgewald.

Im ThyssenKrupp-Vorstand sieht man das anders. Ob die IG Metall weiter zu den Kritikern von Konzernchef Hiesinger gehören wird, blieb in Bochum offen. 20 000 IG-Metall-Mitglieder stimmen seit dieser Woche darüber ab, ob sie dem Tarifvertrag zur Fusion der Stahlsparte mit Tata zustimmen. Er sieht den »sozialverträglichen« Abbau von 2000 Arbeitsplätzen sowie eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2026 vor. Der Firmensitz soll in die Niederlande verlegt werden. Anfang Februar will die Gewerkschaft das Ergebnis bekannt geben.

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