• Politik
  • Demokratiefest in Magdeburg

Meile mit Mauer

Magdeburger Demokratiefest grenzt sich von AfD ab

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Mauer besteht nur aus Pappkartons, aber sie ist übermannshoch. Es ist ein symbolischer Wall, den Gewerkschafter am südlichen Ende der »Meile der Demokratie« in Magdeburg errichtet haben. Die erstreckt sich auf gut einem Kilometer über den Breiten Weg, eine Hauptstraße direkt neben Dom und Landtag. Gut 100 Vereine, Verbände und Organisationen sind mit Ständen präsent: das Technische Hilfswerk, die Bürgerinitiative »Offene Heide«, der 1. FC Magdeburg. Jenseits der Mauer findet sich nur noch ein Stand: jener der AfD.

Die Partei nimmt erstmals an der Meile teil, und allein die Ankündigung hatte für viel Wirbel und Diskussionen gesorgt. Ihre Präsenz verändert den Charakter des Bürgerfests, das 2009 ins Leben gerufen worden war aus Protest gegen Naziaufzüge, die den Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945 zu vereinnahmen und deutsche Kriegsschuld zu relativieren suchten.

Die Meile setzte ein Zeichen dagegen: gegen Geschichtsverdrehung, für Weltoffenheit und Toleranz. Dass nun jedoch mit der AfD ausgerechnet eine Partei teilnehmen sollte, die im Landtag erst in dieser Woche ein Mahnmal für deutsche Kriegsopfer forderte und deren Fraktionschef André Poggenburg Kritiker als »Geschwür am deutschen Volkskörper« bezeichnete, ging manchen bisherigen Teilnehmern zu weit. Der Verein »Miteinander«, der sich seit 1998 gegen Rechtsextremismus engagiert, sagte ebenso ab
wie der Flüchtlingsrat, der Paritätische Wohlfahrtsverband oder der Lesben- und Schwulenverband.

Die Gründe dafür wurden auf Handzetteln an einem ansonsten leeren Stand auf der Meile erläutert; die abwesenden Organisationen nahmen stattdessen an einer Demonstration teil, deren Motto »Blau ist das neue Braun« auf die Parteifarbe der AfD gemünzt war und zu der gut 700 Menschen kamen. Sie sei nicht als »Gegenveranstaltung« gedacht, sagte David Begrich von »Miteinander«; allerdings verändere es den Charakter der Meile, wenn daran auch eine Partei teilnehme, deren Ziele denen der Veranstaltung »diametral entgegen stehen«.

Die Stadt Magdeburg hatte die Meile dagegen verteidigt. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) gab zur Eröffnung ein Bekenntnis zu Toleranz und Weltoffenheit ab. Die Stadt »duldet alle, die anders sind«, sagte er: unabhängig ebenso von deren politischer Überzeugung wie ihrer sexuellen Orientierung. Er wandte sich zudem gegen nationalistische Überheblichkeit: Es solle »keiner sagen können: Wir sind die Größten.«

Auch viele Teilnehmer hatten sich entschieden, ihre teils langjährige Präsenz auf der Meile fortzusetzen. Sie verbanden das aber vielfach mit Bekenntnissen, die wie Stellungnahmen zur Politik der AfD wirkten. Am Stand des Magdeburger Domgymnasiums etwa waren Ortsausgangsschilder zu sehen, auf denen Asylrecht statt Abschiebungen gefordert wurde. Die AfD dagegen hatte kürzlich am Todestag des Asylbewerbers Oury Jalloh zynisch mit der Anmerkung kommentiert, hätte man diesen früher abgeschoben, hätte er nicht in einer Dessauer Polizeizelle verbrennen müssen. In Magdeburg plakatierte die »Evangelische Jugend gegen Rassismus« nun: »Nächstenliebe verlangt Klarheit«. Anderswo hieß es, die »Meile« stehe für Respekt, Toleranz und Vielfalt.

Derlei Forderungen freilich konnte sich auch die AfD anschließen – wobei sie diese nur auf sich bezog. Die Mauer aus Kartons etwa wertete Fraktionschef André Poggenburg als undemokratischen Versuch der Ausgrenzung seiner Partei. Seine Anhänger skandierten: »Die Mauer muss weg!« Als Kritiker die Parolen allerdings mit den Worten »... in euren Köpfen« ergänzten, mussten sie sich als »Linksfaschisten« beschimpfen lassen – ein Beleg für das einseitige Toleranzverständnis der Partei. Dessen ungeachtet hatte die nach den Absagen genüsslich erklärt, »Scheindemokraten« hätten die Maske fallen lassen. Und als bei der Eröffnung der Meile die CDU-Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch dazu aufrief, »jegliche Form von Extremismus einzudämmen«, erntete sie den lautesten Applaus von Poggenburg und seinen Anhängern. Wie es mit der »Meile der Demokratie« nach ihrer zehnten Auflage weitergehen kann, dürfte angesichts solcher Szenen intensiv diskutiert werden.

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