Finnland wählt neuen Präsidenten

Amtierender Präsident ist Favorit / Balancegang zwischen NATO und Russland bestimmte Debatte

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Sechs Jahre hat Sauli Niinisto bereits als Suomen tasavallan presidentti gedient, ist immer noch nicht amtsmüde und allen Umfragen nach will eine Mehrheit der Wähler ihn im Amt bestätigen. Dennoch wird er den ersten Wahlgang am 28. Januar herbeisehnen, denn trotz bezeugten Ansehens in der Bevölkerung ist die Wählerzustimmung zurückgegangen und beträgt jetzt »nur« noch um die 67 Prozent. Topfavorit bleibt er aber trotzdem. Die Frage ist weniger, ob er gewählt wird, sondern vielmehr, ob Niinisto im ersten Wahlgang die 50-Prozent-Marke übertreffen kann oder eine zweite Runde notwendig sein wird. Die Wahlbeteiligung liegt normalerweise zwischen 70 und 75 Prozent.

Der finnische Präsident hat bedeutenden Spielraum insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik, der aber nach der Jahrtausendwende langsam eingeschränkt wurde. Eigenmächtige Entscheidungen, wie sie Urho Kekkonen in seiner Präsidentschaft von 1956 bis 1982 treffen konnte, sind heute nicht mehr möglich. Ministerpräsident wie Parlament bestimmen den Kurs und der finnische Präsident hält sich jetzt routinemäßig aus EU-Verhandlungen heraus. Auf Grundlage seiner Popularität tritt Niinisto als unabhängiger Kandidat auf statt als Kandidat der konservativen Nationalen Partei wie 2012. Mit 175 000 Unterstützungserklärungen, die er innerhalb weniger Wochen einsammelte, übertraf er bei weitem und mühelos die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl von 20 000 Stimmen.

Niinisto traf diese Entscheidung, um seine Popularität in der Bevölkerung zu testen. Ein solides Votum für ihn würde Niinistos Position im Wechselspiel mit Regierung und Parlament stärken. Das Ausbalancieren von Streitigkeiten in der Regierungskoalition und des Verhältnisses zwischen Regierung und Parlament sind neben der Außen- und Sicherheitspolitik wichtiges Aufgabenfeld des finnischen Präsidenten. Mit Ausnahme der Kandidatin der Wahren Finnen haben alle Bewerber um das höchste Amt Finnlands dafür dank langer politischer Karrieren ausreichend Erfahrung. Die meisten von ihnen haben Minister- und teilweise auch Ministerpräsidenten-Praxis.

Bedingt durch die Nachbarschaft mit Russland hat der jeweils amtierende Präsident in der Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin ein wichtiges Wörtchen mitzureden. Die Debatten zwischen den Kandidaten drehten sich dementsprechend viel um diese Themen, einschließlich des Verhältnisses zu den USA, Russlands und der NATO. Die meisten Kandidaten setzen weiterhin auf die Neutralität und weitere Allianzfreiheit und ihre Haltungen unterscheiden sich nur in Nuancen voneinander. Nur sehr besondere Umstände wie der eher unwahrscheinliche schwedische Beitrittsantrag zur NATO würde die Politik ändern.

Die meisten Kandidaten treten für intensivierten Dialog mit Russland ein und würden im Falle substanzieller Verbesserungen im ukrainisch-russischen Verhältnisses die Aufhebung der Sanktionen befürworten. Ein Überwerfen mit der EU steht für die Kandidaten aber nicht auf der Tagesordnung. Aber immerhin zwei Kandidaten, der ehemalige Konservative und jetzt unabhängig auftretende Paavo Väyrynen sowie Laura Huhtasaari von der Rechtspartei Wahre Finnen sind generell EU-kritisch. Falls die Stimmung in Finnland umschlägt, würden sie den Austritt aus der Eurozone und der EU betreiben wollen. Als Präsidentschaftskandidaten sind sie jedoch chancenlos.

Die Kandidatin der Linksallianz, Meria Kyollönen, wird den Erfolg der Wahl eher daran messen, ob die Partei ihr Ergebnis von zwölf Prozent der letzten Wahl wiederholen oder gar ausbauen kann. Mit knapp 100 000 Euro hat die Partei das kleinste Budget, um ihre Kernthemen soziale Gerechtigkeit und Klima voranzutreiben. Der Grünen-Kandidat Pekka Haavisto hofft hingegen, ähnlich wie 2012 für eine Überraschung sorgen und einen zweiten Wahlgang erzwingen zu können. Die Umfrageergebnisse deuten gegenwärtig aber nicht darauf hin. Seine wichtigsten Wahlkampfthemen sind Klima, Umwelt und Friedenspolitik. Ein ähnliches Wahlprogramm hat auch die sozialdemokratische Kandidatin Tuula Haatainen, die diesem noch die Gleichberechtigung für Frauen hinzufügte. Ihre Partei kämpft weiter um die Popularität vergangener Jahrzehnte, in der sie u.a. zwischen 1982 und 2012 den Präsidenten stellte.

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