• Berlin
  • Prozess wegen homophoben Ausfällen von AfD-Politiker

Anklage wegen Volksverhetzung

AfD-Politiker Kay Nerstheimer hatte sich im Internet homosexuellenfeindlich geäußert

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Stunde, zwei Unterbrechungen, ein Antrag, am Ende wird vertagt. Dem Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer wird vorgeworfen, im Dezember 2014 auf Facebook Homosexualität als »genetisch degeneriert« und »widernatürlich« bezeichnet zu haben. »Es ist einfach Fakt«, erklärte er darüber hinaus. In der Anklageschrift heißt es, Nerstheimer habe damit Menschen mit homosexueller Orientierung als im Vergleich zum Rest der Bevölkerung körperlich und sozial minderwertig darstellen wollen.

Als der AfD-Politiker zum Prozessauftakt am Freitagmittag im Amtsgericht Tiergarten erscheint, trägt er einen Anstecker seiner Partei am Revers. Als Anwalt hat er den Leipziger Juristen Roland Ulbrich mitgebracht. Ulbrich ist selbst Mitglied der AfD und Mitgründer der völkisch-nationalen Patriotischen Plattform. Kurz vor Verhandlungsbeginn taucht auch Andreas Wild auf. »Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit«, begrüßt ihn Ulbrich. Wild war nach islamfeindlichen Äußerungen im Juli 2017 aus der Berliner AfD-Fraktion ausgeschlossen worden. Er sitzt fraktionslos im Parlament.

Der Prozess gegen Nerstheimer beginnt am Freitag wie üblich mit der Aufnahme der Personalien des Angeklagten. »Mein Mandant möchte seine Adresse nicht in der Öffentlichkeit nennen«, sagt Anwalt Ulbrich mit Nachdruck. Die Richterin gibt dem Wunsch statt. Anschließend werden die Klageschrift verlesen, Kopien der entsprechenden Facebook-Kommentare gesichtet und Teile eines Interviews mit Nerstheimer aus dem »Tagesspiegel« vorgetragen.

Der Politiker selbst will sich vor Gericht zu den Vorwürfen nicht äußern. Die Richterin liest stattdessen aus einer E-Mail vor, die Nerstheimer nach der Vorladung an das Gericht geschickt hatte. Darin schreibt er von einer Hexenjagd gegen seine Person und schlug vor, die Inquisition wieder einzuführen. Sein Anwalt beantragt am Freitag die Einholung eines medizinischen Gutachtens, das beweisen solle, dass die These, Homosexualität sei widernatürlich, eine wissenschaftlich vertretbare sei. Der Prozess wird unterbrochen und soll am 13. Februar fortgesetzt werden.

In einer der Verhandlungspausen sagt Wild zu Journalisten, Nerstheimers Anliegen sei es, »Kritik zu üben am Anliegen der Homosexuellen, permanent in der Öffentlichkeit zu sein. In der Hinsicht verstehe ich ihn.«

Nerstheimer war zur Abgeordnetenhauswahl 2016 als Lichtenberger Direktkandidat der AfD ins Berliner Parlament gewählt worden. Er verzichtete allerdings von sich aus auf einen Platz in der Fraktion seiner Partei und zog stattdessen als fraktionsloser Abgeordneter ins Parlament ein. Nerstheimer war in die Kritik geraten, nachdem bekannt wurde, dass er früher Mitglied der German Defence League war und zur Unterstützung islamkritischer Parteien eine Miliz aufbauen wollte. Zudem waren Facebook-Kommentare von Nerstheimer bekannt geworden, nach denen er Medienberichten zufolge Flüchtlinge aus Syrien als »widerliches Gewürm« bezeichnet haben soll. Auch seine Äußerungen über Homosexualität wurden öffentlich.

Wild und Nerstheimer wollen gemeinsam im Berliner Abgeordnetenhaus die Parlamentarische Gruppe »Die Blauen« bilden. Einen entsprechenden Antrag reichten sie Mitte Januar ein. Mit Frauke Petry, die im sächsischen Landtag die »Blaue Grupe« gegründet hat, wollen sie aber nichts zu tun haben.

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