In einer Woche zur großen Koalition

Zu Beginn ihrer Verhandlungen einigten sich Union und SPD auf einen ehrgeizigen Zeitplan

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Das trübe Berliner Wetter passte an diesem Freitag irgendwie zur Stimmungslage in der SPD. Die alte Dame hat den GroKo-Blues. Die aktuellen Umfragen dürften die sozialdemokratische Schwermut noch verstärken: Im ARD-Deutschland-Trend kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 19 Prozent, Forsa sieht sie gar bei 17 Prozent. Das knappe Votum des Sonderparteitags für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vom vergangenen Sonntag scheint die demoskopische Talfahrt der Genossen noch zu beschleunigen.

Nicht die besten Voraussetzungen, um in Verhandlungen mit einer Union zu treten, die nicht bereit scheint, die in den Sondierungen getroffenen Verabredungen noch einmal zu diskutieren. Doch die SPD-Verhandlungsgruppe um ihren Chef Martin Schulz muss Erfolge vorweisen, schließlich hat der Sonderparteitag Nachbesserungen verlangt. Die Unterhändler sollen die sachgrundlosen Befristungen abschaffen und »das Ende der Zwei-Klassen-Medizin einleiten«. Zudem votierten die Delegierten für »eine weitergehende Härtefallregelung für den Familiennachzug«, um Familien von Geflüchteten das Zusammenleben zu ermöglichen. Insbesondere der letzte Punkt dürfte auf hartnäckigen Widerstand einer CSU stoßen, die in diesem Jahr eine Landtagswahl zu bestehen hat und der AfD, die im Freistaat stark ist, in der Flüchtlingsfrage keine Angriffspunkte bieten will.

Das Wahlvolk traut der SPD jedenfalls keine großen Verhandlungserfolge zu. In der Arbeitsmarkt-, Flüchtlings- und Gesundheitspolitik rechnen 72 Prozent der für den ARD-Deutschlandtrend Befragten »mit keinen oder nur geringen Nachbesserungen«. Wenn die SPD-Parteiführung aber keine Erfolge vorweisen kann, wird der vorgesehene Mitgliederentscheid, der den Koalitionsvertrag absegnen soll, wohl kaum Grünes Licht für die GroKo geben.

Es dürfte also hoch hergehen in den Arbeitsgruppen Soziales, Migration und Gesundheit. Insgesamt 17 solcher Gruppen soll es geben. Als übergeordnetes Gremium wird eine 15-köpfige »Kleine Runde« mit Vertretern aller Parteien die Gespräche steuern und Ergebnisse festklopfen.

Die Union hat es eilig. Noch vor Beginn des Karnevals am 8. Februar soll der Koalitionsvertrag stehen. Tatsächlich haben die rheinischen Karnevalisten das Thema bereits für sich entdeckt: Beim Kölner Rosenmontagszug soll ein Wagen mitrollen, auf dem Merkel und Schulz auf zwei Schaukeln bei einer »Großen Kollision« gegeneinander zu prallen drohen.

Während die rheinischen Frohnaturen noch an ihren Motivwagen basteln, wurde es an der Spree ernst. Am Freitagmorgen trafen sich die Vorsitzenden der drei Parteien in der CDU-Zentrale am Berliner Tiergarten, um die Verhandlungen offiziell einzuläuten. Später kamen weitere Spitzenpolitiker der Parteien hinzu, um im Format der »Kleinen Runde« erste Vereinbarungen zu treffen. Dabei zeigte sich, dass es grundlegende Differenzen bei der Bewertung der fünftägigen Sondierungsgespräche gibt. Während die SPD ganz neu verhandeln will, verweist die Union auf die Sondierungs-Ergebnisse, die den Rahmen für die Gespräche bilden sollten.

Zumindest auf einen Zeitplan konnten sich die Parteien am Freitag einigen. Demnach sollen die Verhandlungen bereits am 4. Februar abgeschlossen sein, wie der Parlamentsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, am Freitagmittag erklärte. Dabei hatte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die zum Verhandlungsteam gehört, noch kurz zuvor betont: »Gründlichkeit kommt vor Eile. Wir wollen echt auch ein gutes Ergebnis haben.« Parteichef Schulz hatte am Donnerstag »Sorgfalt statt Schnelligkeit« angemahnt und für einen Zeitrahmen von mindestens zwei Wochen plädiert. Ist der nun beschlossene Zeitplan bereits ein erstes Zugeständnis an die Union? Immerhin lässt man sich ein Hintertürchen offen: Union und SPD verständigten sich darauf, zwei Reservetage vorzuhalten, falls es am 4. Februar doch noch keinen Koalitionsvertrag geben sollte. Kommentar Seite 2

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