UNHCR fordert Nachzug von Familien

Bundestag lud zur Anhörung über Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Wegen der alphabetischen Reihenfolge der Rednerliste durfte Dieter Amann zuerst sprechen. Er wütete über »Lügen« und »Absurditäten«, die er sich im Laufe der Jahre als Mitarbeiter einer Ausländerbehörde habe anhören müssen. Heute ist Amann AfD-Politiker in Baden-Württemberg. Am Montag trat er als Sachverständiger in der Anhörung zum Familiennachzug im Hauptausschuss des Bundestages auf. Nach seinen obligatorischen fünf Einführungsminuten blieb er die nächsten Stunden still. Nicht einmal die AfD-Fraktion hatte noch Fragen an ihn.

Stattdessen ging es in die sachliche Debatte. Deren Anlass war die bevorstehende Bundestagsabstimmung über den Familiennachzug von sogenannten subsidiär Schutzberechtigten am Donnerstag. Diesen Status erhalten Flüchtlinge vor allem aus Syrien seit Mai 2016 vermehrt. Er bietet den gleichen Schutz wie jener nach der Genfer Flüchtlingskonvention, aber mit weniger Rechten. Unter anderem ist für diese Gruppe der Familiennachzug bis zum 16. März 2018 ausgesetzt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollten sich SPD und Union in den laufenden Koalitionsverhandlungen noch am Montag auf ein Eckpunktepapier für eine gesetzliche Neuregelung einigen. Bisher ist ein Kontingent von 1000 Nachzügen pro Monat im Gespräch.

Für eine solche Regelung sprachen sich am Montag Vertreter der kommunalen Spitzenverbände aus. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, betonte die »Grenzen der Integrationsfähigkeit« der Städte. Schon jetzt gebe es seit dem starken Flüchtlingszuzug vor zwei Jahren in einigen Gegenden einen Mangel an Kita- und Schulplätzen. Ähnlich äußerte sich Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Bis die Infrastruktur entsprechend nachgebessert sei, müsse der Familiennachzug daher »übergangsweise weiter ausgesetzt« bleiben. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat zeigte sich in der Fragerunde hingegen irritiert darüber, dass die kommunalen Verbände sich durch den möglichen Zuwachs der Bevölkerung um nicht einmal zwei Prozent überfordert fühlten.

Für eine Wiederaufnahme des Familiennachzugs sprachen sich sowohl Roland Bank vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) Deutschland als auch Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte aus. Bank erklärte, die Trennung von Ehepartnern sowie von Eltern und deren Kindern wirke sich »integrationshemmend« aus. Aus völkerrechtlicher Perspektive dürfe auch kein Unterschied zwischen dem subsidiären und dem Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention gemacht werden. In 15 der europäischen Staaten gebe es eine solche Unterscheidung nicht. Cremer erinnerte daran, dass sich durch die Aussetzung des Familiennachzugs einige Familien »drei Jahre oder mehr« nicht gesehen haben. »Es besteht das Risiko, dass die Betroffenen daran zerbrechen.« Zudem verstoße die Aussetzung bei Minderjährigen gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Cremer räumte mit dem Mythos auf, dass ab dem 17. März »plötzlich viel mehr Menschen nach Deutschland einreisen« würden. »Die Verfahren dauern zur Zeit mehrere Monate, teilweise über ein Jahr.«

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