Das Salz in der Spree

Sulfat-Zielwerte bleiben unangetastet, deren Einhaltung ist ungewiss

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zielwerte für den Sulfatgehalt des Spreewassers und des daraus gewonnenen Trinkwassers bleiben unverändert. An der für Berlin maßgeblichen Messstelle Rahnsdorf liegt der Zielwert bei 220 Milligramm pro Liter, im Trinkwasser liegt der gesetzliche Grenzwert für die Sulfatkonzentration bei 250 Milligramm pro Liter. Das ist das greifbarste Ergebnis des 5. Sulfatgipfels von Vertretern der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen sowie der Berliner Wasserbetriebe (BWB), der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) für die stillgelegten Tagebaue und der Lausitzer Energie Kraftwerke AG (LEAG) für den aktiven Braunkohle-Bergbau.

Seit Jahren steigt die Sulfatbelastung in der Spree, das heißt, die Konzentration an Schwefelsäuresalzen nimmt zu. Das ist eine Folge des Braunkohletagebaus in der Lausitz. Die nötige Grundwasserabsenkung setzt chemische Prozesse in Gang, in deren Folge Sulfat in Gewässer gespült wird. In Berlin stammt rund ein Drittel der Sulfatbelastung aus Tagebaurestlöchern der staatlichen Renaturierungsgesellschaft LMBV und etwas über die Hälfte aus aktiven Tagebauen der LEAG, der Rest ist natürlichen Ursprungs. Das besagt eine Studie der LMBV, die ehemalige Tagebaue im Auftrag von Bund und ostdeutschen Ländern saniert.

»Der Zielpegel in Rahnsdorf wird temporär überschritten. Ohne Maßnahmen bleibt das so«, sagt Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow (Grüne) nach dem Gipfel am Dienstagmittag. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Bei 70 zwischen Februar 2015 und Dezember 2017 durchgeführten Messungen wurde nur 15-mal der Zielwert von 220 Milligramm Sulfat pro Liter nicht überschritten. Das geht aus einer Antwort auf die Schriftliche Anfrage von Stefan Taschner hervor, dem energiepolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Die Wasserbetriebe werden uns noch einmal Zahlen zuliefern, welche Werte keinesfalls überschritten werden dürfen«, erklärt Tidow. Das nahegelegene Wasserwerk Friedrichshagen der BWB versorgt knapp eine Million Berliner. Noch kann das Landesunternehmen über die Mischung des Uferfiltrats mit Grundwasser die Einhaltung des Grenzwerts von 250 Milligramm Sulfat pro Liter Trinkwasser einhalten. Bei stark steigenden Werten wäre das nur mit teuren technischen Maßnahmen möglich.

»Den Braunkohletagebau temporär oder dauerhaft beschränken«, das wäre laut Tidow eine der Maßnahmen, mit der Brandenburg die Sulfatbelastung senken könnte. »Es ist aber kein Geheimnis, dass wir unterschiedliche Positionen dazu haben«, erklärt der Berliner Staatssekretär.

Der Brandenburger Energie-Staatssekretär Hendrik Fischer (SPD) stellt als einzige konkrete Maßnahme in Aussicht, mehr Wasser aus dem Speicherbecken Lohsa II, einem bereits in der sächsischen Oberlausitz gelegenen Tagebaurestloch, in die Spree zu leiten.

Viel drängender sind die Probleme bei der Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA). Auf Höhe des Wasserwerks Briesen, das einen Teil der 65 000 Einwohner von Frankfurt (Oder) versorgt, wurde der dortige Zielwert von 280 Milligramm Sulfat pro Liter Spreewasser in den vergangenen beiden Jahren praktisch permanent überschritten. Um die Trinkwasserversorgung zu sichern, wird die FWA nach eigenen Angaben in den nächsten Jahren rund 20 Millionen Euro investieren.

Um die für den Herbst beantragte Flutung des Cottbuser Ostsees durch die LEAG »überhaupt genehmigungsfähig zu machen, plant das Umweltministerium des Landes Brandenburg, den Emissionsrichtwert am Pegel Briesen auf 350 Milligramm pro Liter anzuheben«, teilte die FWA kürzlich mit. Staatssekretär Fischer widerspricht. Es sei angefragt worden, ob das Wasserwerk mit diesen Werten umgehen könne, sagt er. Kosten von 20 Millionen Euro für die FWA seien ihm bisher unbekannt. Natürlich müssten die nötigen Investitionen nach dem Verursacherprinzip bezahlt werden. »Ich gehe davon aus, dass auch der aktive Tagebaubetreiber sich beteiligen muss«, sagt er. Gemeint ist die LEAG. Die Beteiligten stellten »nicht die Finanzierung als solche infrage, sondern den jeweiligen Anteil«, erklärt Fischer.

»Es ist sehr schwierig, das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen«, räumt der Abgeordnete Taschner ein. Sollte der Sommer trocken ausfallen, werden die Sulfatwerte wieder deutlich steigen. »Dann ist der Handlungsdruck beim nächsten Treffen im September größer«, hofft der Politiker. »Die Berliner Wasserbetriebe müssten auch klagen, wie Frankfurt (Oder) es im Falle einer Genehmigung für die Flutung des Ostsees angekündigt hatte«, fordert Oliver Powalla vom Bündnis »Kohleausstieg Berlin«.

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