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Lebenslang, zum Zweiten

Mutmaßlich aus Berlin entführter vietnamesischer Geschäftsmann in Hanoi verurteilt

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Der mutmaßlich aus Deutschland entführte Ex-Politiker und Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh ist in Vietnam zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wie im ersten Prozess ging es um Korruption und Misswirtschaft während seiner Zeit als Chef einer staatseigenen Firma in den Jahren zwischen 2009 und 2013.

Die Verteidigung und der Angeklagte selbst bestritten die Vorwürfe. »Ich weiß, dass der Kampf gegen die Korruption sehr entschlossen geführt wird. Ich finde das richtig und unterstütze das.« Mit diesen Worten zitiert die vietnamesische Presse Trinh Xuan Thanh im Prozess vor dem Hanoier Volksgericht. Lokale Medien konnten das Prozessgeschehen von einem Nebenraum aus beobachten. Dorthin übertrug eine Kamera zeitversetzt Bilder. Internationale Medien hatten keinen Zugang zum Gericht. Im Prozess sagte Trinh Xuan Thanh, dass er das Gefühl habe, »dass Beweise ignoriert werden und alles eher erfunden wird. Das ist ein falscher Kampf gegen die Korruption. Das ist eine Säuberungsaktion.« Ein paar Sätze sprach er noch, dann schnitt die Richterin ihm das Wort ab. Doch die Berichte der örtlichen Medien sind nicht die einzigen aus dem Gerichtssaal. Nguyen Van Quynh, einer der Verteidiger, postet auf Facebook, was im Gericht geschieht. Zum Beispiel, dass er einen Gutachter der Regierung befragt habe, nach welcher Methode er denn die Verluste der staatseigenen Firma berechnet habe, die man seinem Mandanten zur Last lege. Darauf müsse er nicht antworten, soll der Gutachter gesagt haben. Das Gericht sah das auch so.

Ein anderes Mal postet der Anwalt, wie er einen Beweisantrag gestellt hatte, bei dem untersucht werden sollte, wie viel Geld in einen Koffer passt. Die Anklage wirft Trinh Xuan Thanh vor, im Jahre 2009 eine Summe von 400 000 Euro Bestechungsgeld in einem Koffer angenommen und mit dem Flugzeug transportiert, später aber zurückgegeben zu haben. 400 000 Euro in vietnamesischer Landeswährung, das sind mindestens 14 000 Blatt Papier, rechnet der Anwalt vor. Sollten die tatsächlich in einen einzigen Koffer passen? Wie schwer wäre so viel Papier, und wäre es dann als Fluggepäck überhaupt zulässig? Der Beweisantrag wird abgelehnt.

Die Beispiele machen einen Widerspruch deutlich, in dem sich Vietnam befindet. Einerseits die Position, die allein regierende Kommunistische Partei, der Staat und somit auch die Staatsanwaltschaft haben immer recht und brauchen ihre Behauptungen nicht kontrollieren zu lassen. Zweitens die Position der Verteidigung, die verlangt, dass nur das zu einer Verurteilung führen könne, was in einem fairen Verfahren, in dem alle Seiten zu Wort kommen, bewiesen wird.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin kommentiert den Prozess so: »In Teilen des Prozesses wurde erkennbar, dass es ein Bemühen um die Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipien gab. Gleichzeitig gibt es prozessuale Aspekte, die wir kritisch sehen.« Berlin bedauert, dass die internationale Presse ausgesperrt wurde und dass Pe- tra Schlagenhauf, die deutsche Anwältin von Trinh Xuan Thanh, nicht nach Vietnam reisen durfte.

Beide Urteile gehen in die Berufung. Trinh Xuan Thanh hat zudem beantragt, wegen seiner angeschlagenen Gesundheit nach Deutschland reisen zu dürfen, um hier in den Armen seiner Frau sterben zu dürfen.

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