Emanzipatorische Anziehungskraft

Der IS warb mit Dystopie, Afrin verheißt das Gegenteil, meint Nelli Tügel

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 1 Min.

Als 2014 die Nachrichten über den sogenannten Islamischen Staat den Westen erreichten, fragten sich viele: Weshalb zieht eine das Leben verachtende Ideologie junge Menschen in ihren Bann? Dass sich im Norden Syriens in den vergangenen Tagen Tausende in Bewegung gesetzt haben, um nach Afrin zu gelangen und dort dem Angriff der türkischen Armee entgegenzutreten, zeigt: Auch das Andere besitzt starke Anziehungskraft - Demokratie, soziale Gleichheit, Frauenbefreiung und Minderheitenschutz. Denn dies verspricht das - oft verkürzt als »kurdische Autonomiebestrebung« beschriebene - nordsyrische Projekt, wenigstens in der Theorie.

Es gibt dabei nichts zu romantisieren. In der Region herrscht Krieg; die Reaktion, die auf den Arabischen Frühling von Kairo bis Istanbul folgte, lässt »Rojava« heute ziemlich allein dastehen. Erschwerend kommt hinzu, dass progressive syrische Oppositionelle, die der Krieg fast bis zur Unsichtbarkeit zermürbt hat, sich von der PYD in den vergangenen Jahren verraten fühlten; ein Bündnis ist hier unwahrscheinlich. Isoliert aber wird, wofür »Rojava« steht, kaum bestehen können. Trotz dieser Widrigkeiten ist nicht ausgemacht, wohin das Projekt sich entwickelt: Zu einer stalinistischen Notstandsdiktatur oder einem emanzipatorischen Leuchtturm. Damit es letzteres wird, ist solidarische Kritik gefragt - und vor allem Unterstützung.

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